Der Nachbar
verschwindet er und lässt Sie die Sache ausbaden. Ist das der Typ –äh – Mann, den Sie anziehend finden? Eines kann ich Ihnen sagen – wenn es so ist, haben Sie keine rosige Zukunft vor sich.«
»Aber er sieht so gut aus«, sagte sie, »und am Anfang war er echt
süß
.«
»Das sind gut aussehende Männer immer«, erklärte Tyler mitleidlos, während er die tiefen Kerben auf seiner Stirn glatt zu reiben versuchte, »bis eine Frau sie an die Wäsche lässt, und sie feststellen, dass sie auch nicht aufregender ist als die Letzte, die sie hatten.«
»Sie reden wie meine Mutter.«
»Fällt Ihnen sonst noch was ein, was mir vielleicht weiterhelfen könnte? Hat er irgendwelche Anrufe erhalten?«
»Ja, als wir in der Nacht ins Hotel zurückkamen, war eine Nachricht für ihn da, ein Brief, den irgendjemand unter der Tür durch ins Zimmer geschoben hatte... ich hatte den Eindruck, dass er ziemlich aufgeregt darüber war. Er schickte mich zum Duschen, weil er jemanden anrufen wollte – kann sein, dass das mit dem Brief zu tun hatte. Danach sagte er, ich solle schlafen, er hätte keinen Bock auf Sex.«
»Und das alles hat sich um zwei Uhr morgens abgespielt?«
»Ja.«
»Was stand in dem Brief?«
»Keine Ahnung.«
»Haben Sie nicht versucht, es herauszubekommen, nachdem er abgereist war?«
»Kann schon sein.«
»Und?«
»Im Papierkorb hab ich nichts gefunden.«
»Sind Sie für ihn ans Telefon gegangen, solange er noch da war?«
»Er ist immer über Handy angerufen worden.«
»Haben Sie Gespräche gehört, die möglicherweise mit einem Kind geführt wurden?«
»Er ist immer aus dem Zimmer gegangen.« Sie schwieg einen Moment. »Meistens waren es geschäftliche Sachen, glaube ich. Er hat Schwierigkeiten mit ein paar von seinen Häusern.«
»Was für Schwierigkeiten?«
»Das weiß ich doch nicht. Wenn ich danach gefragt hab, ist er jedes Mal halb durchgedreht... er hat behauptet, dass die anderen ihn bestehlen. Aber nächste Woche würde das alles geregelt, sagte er.«
Tyler starrte die Wand seines Büros an. »Mit wem hat er gesprochen? Mit Kunden? Oder Geschäftspartnern?«
»Keine Ahnung.«
»Können Sie sich erinnern, ob er einen Namen nannte? Gleich zu Beginn vielleicht, bei der Begrüßung?«
»Ich hab nicht hingehört.«
»Versuchen Sie, sich zu erinnern, Franny«, sagte Tyler geduldig. »Es ist wichtig.«
»Aber das war doch alles so langweilig«, beschwerte sie sich weinerlich. »Einmal ist es um Verträge und Termine gegangen. Ich glaube, da hat er mit seinem Anwalt gesprochen.«
Tyler schrieb ‘Martin Rogerson’ auf seinen Block und setzte ein Fragezeichen dahinter. »Sagt Ihnen der Name Martin etwas?«, fragte er.
»Richtig«, rief sie, sich plötzlich erinnernd. »Er sagte, ‘Hallo, Martin’.«
»An welchem Tag war das?«
»Donnerstag, glaub ich.«
Tyler ließ ein paar Sekunden verstreichen, dann bat er sie um die Telefonnummer und Adresse ihrer Mutter. Sie war erst bereit, sie ihm zu geben, als er ihr klarmachte, dass er ebenso wenig für ihre Hotelrechnung aufkommen würde wie der britische Steuerzahler. »Für Sie gilt das Gleiche wie für Townsend: Sie sind volljährig und nach dem Gesetz für die Schulden, die Sie machen, verantwortlich. Sie haben die Wahl. Entweder Sie regeln diese Sache selbst, oder ich bitte Ihre Mutter, es für Sie zu tun. Also, wo ist sie zu erreichen?«
Wütend nannte sie ihm eine Adresse und Telefonnummer in Southampton. »Sie bringt mich um«, erklärte sie wieder.
»Das bezweifle ich, aber ich werde ein gutes Wort für Sie einlegen.« Er dachte daran, ihr zu raten, ausnahmsweise einmal etwas Reife zu zeigen, unterließ es aber dann. Wenn sie die Lektion nicht von selbst lernte, würden gute Ratschläge von einem Fremden auch nicht helfen. Er bat sie also nur, sich nach ihrer Rückkehr nach Southampton zur Verfügung zu halten, da er sie noch einmal von Angesicht zu Angesicht befragen wollte. Danach sprach er noch fünf Minuten mit dem Hoteldirektor, um ihre Aussage zu überprüfen und einige Details zu klären. Er dankte ihm für seine Hilfe und bat ihn, der jungen Frau etwas zu essen zu servieren, während er versuchte, ihre Mutter zu erreichen.
»Ich kann mir nicht vorstellen, dass diese Frau Miss Gough zurückhaben möchte«, sagte der Mann in fließendem Englisch mit starkem Akzent.
»Wie kommen Sie denn darauf?«
»Keine Mutter würde bei uns ihrer Tochter Dinge erlauben, wie dieses junge Mädchen sie tut. Ich kann daraus nur schließen,
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