»Wie lange wollten Sie denn ursprünglich bleiben?«
Sie begann wieder zu lamentieren. »Das hat er nicht gesagt... und ich hab nicht gefragt, weil ich dachte, es wäre eine Urlaubsreise... Sie wissen schon, zwei Wochen oder so... Ich geb zu, es kam ein bisschen plötzlich – ich mein, am Sonntag haben wir noch in meiner Bude rumgegammelt und am Dienstag jetten wir nach Mallorca... aber ich hab nie im Leben damit gerechnet, dass er nach drei beschissenen Tagen abhauen würde, sonst hätt ich mir garantiert seine Kreditkarte geben lassen. Das ist doch echt Scheiße, oder nicht?«
»Hatte er Rückflüge gebucht?«
»Keine Ahnung.« Sie legte eine Pause ein, um darüber nachzudenken. »Wahrscheinlich nicht. Er hatte seinen Laptop mitgenommen. Er hat gesagt, die wären bei dieser Gesellschaft sehr flexibel, und man bezahlte für jeden Flug einzeln. Das heißt, man kann von überall buchen, ganz gleich, wo man gerade ist.«
»Macht er viel übers Internet?«
»Er hockt dauernd davor«, erklärte sie verdrossen. »Wahnsinnig langweilig.«
»Wissen Sie seine E-Mail-Adresse?«
»Nur die von der Firma –
[email protected] – alles klein geschrieben.«
»Wie viele E-Mail-Adressen hat er denn insgesamt?«
»Ungefähr sechs – vielleicht auch mehr. Er arbeitet mit Codes, damit niemand dran kann.«
»Und warum ist ihm das so wichtig?«
»Es sind vertrauliche Geschäftsgeschichten, und er hat tierische Angst, dass andere rausfinden könnten, was er gerade für Verträge am Laufen hat.«
Tyler ermahnte sich, keine voreiligen Schlüsse zu ziehen. Das war eine der Gefahren in seinem Beruf. Die Kollegen sprachen dann gern davon, dass sie »so ein Gefühl« hätten oder »einen Riecher für einen Schurken«. Nur allzu oft endete dergleichen mit hohen Entschädigungszahlungen, wenn der angebliche Schurke seine Unschuld nachwies, und das so genannte ‘Gefühl’ auf nicht mehr beruhte als auf einer Reihe unglücklicher, rein zufälliger zusammentreffender Begebenheiten. Dennoch... ein Faible für mädchenhaft aussehende Frauen... Videos... das Internet...?
Er wollte vermeiden, dass Franny ähnliche Verbindungen herstellte, darum wechselte er das Thema und stellte ihr ein paar wenig beunruhigende Fragen darüber, was Townsend an Gepäck mitgenommen und ob er etwas davon im Hotel zurückgelassen hatte. Dann bemerkte er wie beiläufig: »Sie sagten vorhin etwas davon, dass es ja ‘nur ein Video’ sei. Was genau meinten Sie damit?«
Sie zögerte. »Ach, nichts Besonderes. Er filmt einfach ständig.«
»Und was filmt er?«
Sie antwortete nicht.
»Sie sprachen davon, dass sie eine Perücke aufsetzen könnten«, fuhr er fort. »Also hat er vermutlich doch Sie gefilmt.«
Sie war jetzt, da sie ruhiger geworden war, weniger bereit, ins Detail zu gehen. »Ach, das sind nur Sachen, die er für sich selber aufnimmt«, sagte sie schließlich abwehrend.
»Pornographie?«
»Nein!« Sie schien wirklich entsetzt.
»Was dann?«
»Er sieht mich einfach gern auf Video, wenn ich nicht bei ihm bin.«
«Bekleidet oder unbekleidet?«
»Was glauben Sie wohl?«, fragte sie sarkastisch. »Er ist schließlich ein Mann.«
Unter anderen Umständen hätte Tyler sein Geschlecht vielleicht verteidigt, aber möglicherweise war ihre Erfahrung mit Männern so beschränkt, wie der Zynismus ihrer Bemerkung vermuten ließ. Wenn das zutraf, tat sie ihm Leid. »Ist das der Grund, weshalb er mit Ihnen an den Nacktbadestrand gefahren ist?«
»Ich nehm's mal an.«
»Hat er dort sonst noch jemanden gefilmt?«
»Nein.« Sie kicherte ganz unerwartet. »Er sagte, sie wären alle viel zu alt und viel zu fett. Außerdem waren es sowieso viel mehr Männer, und Männer machen ihn nicht an.«
Tyler wechselte von neuem das Thema. »Warum ist er abgereist? Hatten Sie Streit?«
»Nein, eigentlich nicht. Er war nur am Donnerstagnachmittag ein bisschen fies.«
»Inwiefern?«
»Deine Möpse sind zu groß... dein Hintern ist zu dick... du hast viel zu viel Schminke im Gesicht... du schaust aus wie eine Nutte...« Sie leierte es herunter wie eine Mängelliste, die sie auswendig gelernt hatte. »Ich hab mich am Donnerstagabend wahnsinnig betrunken, vielleicht hat ihn das abgeschreckt«, schloss sie niedergeschlagen.
Tyler hörte Ansätze zu einer Tirade von Selbstbezichtigungen in ihrem Ton und griff zu einer Prise Sarkasmus. »Warum glauben Sie ihm immer noch?«, fragte er. »Der Mann ist ein Hochstapler. Erst legt er den Hoteldirektor rein und dann