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Der Nachbar

Titel: Der Nachbar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Minette Walters
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dass Mrs Gough nichts an ihrer Tochter liegt.«
Nightingale Health Centre
    Es kam selten vor, dass Fay Baldwin am Wochenende ins Büro ging, aber verfolgt von den bitteren Gedanken an Sophie Morrisons eigenmächtige Entscheidung, ihr eine Betreuungsperson zu nehmen, und an die unverschämte Nachricht der Ärztin auf ihrem Anrufbeantworter, hatte sie sich bis zum Samstagmorgen in blinde Wut hineingesteigert. Die Tatsache, dass andere Ärzte ihr auf ähnliche Weise die Zusammenarbeit aufgekündigt hatten und ihr so lediglich eine Handvoll Patienten geblieben war, die sie bis zum Beginn ihres Ruhestands noch zu betreuen hatte, ließ sie einfach unter den Tisch fallen. Diesmal würde sie sich offiziell beschweren und den Vorwurf erheben, dass Dr. Morrison sich Melanie Pattersons Kindern gegenüber grob fahrlässig verhielt.
    Für sie stand fest, dass die Anwesenheit des Pädophilen in der Humbert Street eng verknüpft war mit der allgemeinen Verschwörung im Health Centre, sie hinauszumobben. Es war ihr sogar gelungen, sich einzureden, dass reine Zivilcourage sie veranlasst hatte, seine Anwesenheit in der Siedlung preiszugeben. Dr. Morrison lag nichts an den Kindern. Das hatte sie schon damit bewiesen, dass sie jede Diskussion über die Existenz des Mannes abgelehnt und Fay für verrückt erklärt hatte, als die gewagt hatte, trotzdem davon zu sprechen. Fay hingegen ging es einzig um die armen Kleinen, Rosie und Ben. Und so sollte es ja auch sein. Das war ihre Aufgabe als ihre Gesundheitsbetreuerin. Wie konnte ein Arzt es wagen, sich über ihre Autorität hinwegzusetzen? Wer hatte sich denn – vor allen anderen – dafür eingesetzt, dass die Patterson-Kinder ein Recht auf Sicherheit und auf bestimmte Werte hatten?
    Da sie nicht unbedingt gesehen werden wollte, für den Fall, dass Sophie Morrison herumgetratscht hatte, was sie getan hatte – sie brauchte Zeit, um ihre Argumente zu sammeln –, beabsichtigte sie, sich ins Betreuerzimmer zu schleichen, wenn die Empfangssekretärin mit einem Patienten beschäftigt war. Aber zu ihrer Überraschung versperrte ihr ein Polizist den Zugang zum Hauptempfang. Nirgends im Warteraum war ein Patient zu sehen, und bei Jenny Monroe hinter dem Empfangstresen stand Dr. Bonfield, der Senior-Partner, in T-Shirt und Shorts. Harry Bonfield und Fay Baldwin waren einander nicht grün, und sie wäre auf der Stelle umgekehrt, hätte nicht der Polizist die anderen auf sie aufmerksam gemacht.
    »Lassen Sie sie herein«, rief Harry. »Sie gehört zu uns.« Er winkte Fay mir großer Armbewegung herein, hielt aber dabei den Blick angespannt auf Jennys Computer gerichtet. »Haben Sie das mit Sophie schon gehört? Es ist ein Albtraum! Die Polizei hat's kalt erwischt. Die waren auf so etwas überhaupt nicht vorbereitet, darum versuchen wir jetzt, jemanden aufzutreiben, der den Leuten, die für die verdammte Geschichte verantwortlich sind, eine Nachricht übermitteln kann. Wenn nur das dumme Ding ihr Handy nicht ausgeschaltet hätte – wir könnten direkt mit den Leuten reden – das Ganze vernünftig regeln.«
    Er nickte zum Bildschirm hinunter. »Jenny geht gerade die Liste durch, um zu sehen, ob es in der Humbert Street jemanden gibt, mit dem wir reden können... aber es ist hoffnungslos... Die Patienten sind nach Namen geordnet, nicht nach Straßen... es ist ungefähr so, als suchte man die gottverdammte Nadel im Heuhaufen. Von meinen Patienten wohnt am nächsten eine Frau in der Glebe Road, aber sie ist stocktaub und meldet sich nicht.« Er schnalzte mit den Fingern, um sie anzutreiben. »Wir stecken mitten im Schlamassel, Fay. Haben Sie vielleicht eine Idee? Humbert Street! Sie haben doch bestimmt ein paar Betreuungspersonen in der Gegend.«
    Fay wäre vermutlich etwas vorsichtiger gewesen, hätte Harry nicht soeben Sophie als »dummes Ding« bezeichnet. So aber glaubte sie etwas voreilig, Sophie wäre in Ungnade gefallen. »Ich
hatte
welche«, sagte sie spitz. »Jetzt nicht mehr. Dank Dr. Morrison.«
    Harry warf ihr stirnrunzelnd einen Blick zu. Was zum Teufel redete die dumme Person da? »Wieso?«, fragte er. »Sind die Leute umgezogen?«
    »Nicht dass ich wüsste.«
    »Vielleicht könnten Sie uns einen Namen nennen«, schlug er milde vor. »Wenn es Ihnen Recht ist.«
    Fay spitzte süffisant die Lippen. »Melanie Patterson.«
    Harry gab Jenny einen Klaps auf die Schulter und beugte sich tiefer, um den Bildschirm zu beobachten, während sie zum Buchstaben ‘P’ scrollte. »Na bitte, da haben

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