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Der Nachbar

Titel: Der Nachbar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Minette Walters
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Mutter. Wie groß musste ihre Angst sein, bevor Sie einen hoch kriegten?«
    Er runzelte wütend die Stirn und sagte etwas zu Nicholas.
    »Er versteht nicht, was Sie meinen«, sagte der, den Blick gesenkt und nicht bereit ihr in die Augen zu sehen.
    »Oh, aber Sie verstehen es doch«, entgegnete sie. »Übersetzen Sie es ihm. Fragen Sie ihn, was er ihr antun musste, um in Stimmung zu kommen. Hat er sie gefesselt? Grün und blau geschlagen?«
    Nicholas schüttelte den Kopf.
    »Na schön. Dann mach ich ihm eben selbst klar, was ich meine.
    Das Wort ‘Sadist’ wird er ja wohl verstehen.«
    Der alte Mann kniff kaum wahrnehmbar die Augen zusammen. »Sie hören besser auf, bevor ich ärgerlich werde«, sagte er.
    Sie lachte, schrecklich befriedigt, entzückt über den leicht erzielten Treffer. »Und wo ist Milosz' Mama jetzt?«, fragte sie, seinen Akzent nachäffend, und beugte sich vor. »Hat sich wohl einen andern zum Bumsen gesucht, hm?«
    Natürlich war sie nicht vorbereitet. Überhaupt nicht vorbereitet auf die Geschwindigkeit, mit der Franek vom Boden in die Höhe schnellte und ihr die Faust ins Gesicht schlug.

14

Polizeipräsidium Hampshire
    Chief Inspector Tyler war in seinem Büro im Präsidium, als ihm ein Anruf aus dem Hotel Bella Vista in Mallorca gemeldet wurde. Es folgte kurzes spanisches Kauderwelsch aus dem Mund einer Telefonistin, dann erklang eine weinerliche Kleinmädchenstimme.
    »Der Hoteldirektor hat mir erlaubt, Sie von seinem Telefon aus anzurufen. Er sagt, Sie würden mir vielleicht mit Geld aushelfen, weil Sie nach Eddy gefragt haben.«
    Tyler richtete sich auf und griff nach einem Stift. »Sie sprechen von Edward Townsend?«, fragte er.
    »Ja«, bestätigte sie mit Jammerstimme. »Er ist so gemein. Der Hoteldirektor hat gesagt, ich muss die Rechnung bezahlen – aber es ist eine Riesensumme... und ich kann doch gar nicht –« Sie begann zu schluchzen.
    »Mit wem spreche ich?«, fragte Tyler geduldig. Der Stimme nach schien sie zu jung, um hohe Hotelrechnungen bezahlen zu können.
    »Franny Gough. Er hat gesagt, dass er mich liebt«, stammelte sie weinend. »Er hat gesagt, dass er mich heiraten will. Ich weiß nicht, was ich jetzt tun soll... Ich hab keinen Flugschein, weil er mir keinen gegeben hat – und der Hotelmensch hier will mich nicht weglassen, solange die Rechnung nicht bezahlt ist. Den Mietwagen hat er auch mitgenommen... ich hab keine Möglichkeit, zum Flughafen zu kommen... und wenn ich meine Mutter anrufe, bringt sie mich um. Sie hat mir von Anfang an gesagt, dass er nichts taugt... aber ich hab gedacht, sie wäre nur eifersüchtig, weil Eddy genauso alt ist wie sie, und sie keinen Mann findet...«
    Er hörte der rührend unreifen Stimme des Mädchens zu, das ihm sein Herz ausschüttete, und fragte sich, ob sie wirklich so arglos war wie sie zu sein vorgab, oder ob sie glaubte, mit Naivität Mitleid erregen zu können. Aber wessen Mitleid? Seines oder das des Hoteldirektors?
    »Wann ist er denn abgereist?«
    »Gestern. Dabei hab ich alles getan, was er wollte – ich mein, ich hab mich für ihn zurechtgemacht –, aber er hat gesagt, dass es nicht richtig ausschaut, weil meine Haare zu kurz wären...«
    Tyler versuchte ihr ins Wort zu fallen. »Um welche Zeit gestern?«
    Aber sie war in voller Fahrt und hörte die Frage gar nicht. »... und wie ich dann gemeint hab, ich könnte ja eine Perücke aufsetzen, ist er erst recht wütend geworden und hat gesagt, nur junge Mädchen mit Leukämie setzen Perücken auf. Ich fand, dass er wegen nichts und wieder nichts auf mir rumhackt – es ging schließlich nur um ein Video –, aber er sagte, Männer mögen keine kleinen Mädels, die krank ausschauen, ... und jetzt hass ich ihn, weil er einfach abgehauen ist und mich hier gelassen hat, und der Hoteldirektor sagt, dass ich ins Gefängnis kommen kann.« Laut schluchzend brach sie ihre Tirade ab.
    Er wartete, bis sie sich etwas beruhigt hatte. »Wie alt sind Sie, Franny?«
    »Achtzehn.«
    »Sie klingen jünger.«
    »Ich weiß.« Sie sprach stockend, als wöge sie ihre Worte. »Ich sehe auch jünger aus... darum mag Eddy mich ja. Ich bin im Mai achtzehn geworden. Sie können den Hoteldirektor fragen, wenn Sie es mir nicht glauben. Er hat mir meinen Pass weggenommen und will ihn mir erst zurückgeben, wenn die Rechnung bezahlt ist.«
    »Ich spreche später mit dem Herrn. Um welche Zeit ist Mr Townsend gestern abgereist?«
    Sie schnäuzte sich geräuschvoll. »Ich weiß nicht. Als ich

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