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Der Nachbar

Titel: Der Nachbar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Minette Walters
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zurückgebliebene Schweine wie Wesley Barber andere umbringen? Wie soll denn hier noch einer rauskommen, wenn die Häuser zu brennen anfangen? In der Straße wohnen Kinder und alte Leute. Was meint ihr, wie ihr euch fühlt, wenn sie hier die toten Kinder raustragen? Glaubt ihr, dass ihr dann stolz sein könnt?«
    Ihre Worte wirkten. Auf die Frauen. Und auf Colin. Mit einem Mut, den er sich selbst nie zugetraut hätte, rannte er die zehn Meter bis zu seiner Schwester, stellte sich an ihre Seite und umfasste ihre Hand, um so vor aller Öffentlichkeit für sie und gegen seine Freunde Partei zu ergreifen. Die Geste war ein beeindruckendes Symbol für das, was ursprünglich die Ereignisse ins Rollen gebracht hatte, die so furchtbar ausgeartet waren – Liebe zur Familie und der Wunsch, die Kinder zu schützen –, und beim Anblick dieser beiden jungen Menschen, die mit ihren tränennassen Gesichtern rührend kindlich wirkten, stellte sich ein gewisses Maß an Vernunft wieder ein.
    Eine Schwarze mittleren Alters brach aus der Menge heraus, um sich zu ihnen zu gesellen. »Weiter so, Kleine«, sagte sie zu Melanie. »Sie tun das Richtige.« Sie hob die Stimme. »Los, Schwestern, kommt!«, rief sie laut mit tiefer, rauchiger Stimme, die viel weiter trug als Melanies höhere Lage. »Wie wär's mit ein bisschen Solidarität? Das hat doch hier nichts mit Rasse oder Hautfarbe zu tun.« Sie sah Wesley mit herausforderndem Blick an. »Und du machst mal lieber, dass du nach Hause kommst, Bürschchen, sonst muss ich deiner Mutter erzählen, wie du die junge Frau hier genannt hast. Deine Mutter ist eine vernünftige Frau, die wird dir dafür das Fell über die Ohren ziehen.«
    Eine ehemalige Schulkameradin Melanies löste sich von ihrem Freund. »Ich bin dabei«, rief sie, schüttelte seine Hand ab, als er sie festhalten wollte, und rannte zu Colin und Melanie. »Die verknacken euch alle wegen Mord, wenn ihr nicht aufhört«, schrie sie zornig in die Menge. »Das ist doch der reine Wahnsinn, was hier passiert. Meine Großmutter wohnt nur drei Häuser weiter, und sie hat keinem von euch was getan. Sie kann überhaupt nichts dafür, dass hier in der Straße so ein paar perverse Typen wohnen, aber wenn ihr die Kerle abfackelt, bringt ihr sie auch um.«
    Andere schlossen sich an, und vor der brennenden Haustür bildete sich eine tapfere kleine Phalanx, die verhinderte, dass weitere Benzinbomben geworfen wurden. Aber Wesley Barber war nicht der Einzige, der sich vor Erregung die Lippen leckte, als das Fichtenholz unter dem Lack Feuer fing und ein Funkenregen auf die Verteidiger niederging.
    Jimmy ging wieder die Bassindale Row zurück, aber er machte keinen Versuch, den Engpass am Ende der Humbert Street zu durchstoßen. Er umging ihn lieber und bog nach rechts in die Bassett Road ab, die nächste Parallelstraße. Auch hier drängte sich eine unruhige Menschenmenge, Frauen vor allem, die vor ihren Häusern auf der Straße standen und aufgebracht nach der Polizei riefen. Wo blieben die Einsatzkräfte? Warum griffen sie nicht ein? Zählte die Acid Row nicht? Gerüchte von Benzinbomben machten die Runde; ebenso war von brennenden Häusern die Rede, die den Flammen überlassen wurden, weil es die Fahrzeuge der Feuerwehr nicht schafften, an den Straßensperren vorbeizukommen.
    Jimmy bahnte sich in der Mitte der Straße einen Weg durch die wogende Menge. Sprach jemand ihn an, so spielte er den Unwissenden. Wenn die hier wirklich so besorgt waren, brauchten sie nur zu tun, was er auch getan hatte, und versuchen, sich mit eigenen Augen ein Bild zu machen. Je mehr, desto besser. Wenn nur die Hälfte dieser Frauen sich dazu entschlösse, aus eigener Kraft etwas zu unternehmen, anstatt händeringend über die Untätigkeit der Polizei zu jammern, könnte man die Kids auf den Barrikaden von beiden Seiten ordentlich in die Zange nehmen, und sie würden am Ende wahrscheinlich mit eingekniffenen Schwänzen abziehen.
    In der Forest Road South herrschte wildes Getümmel, als er dort ankam. Geängstigte Menschen, größtenteils Teenager, boxten sich auf der Straßenmitte durch, um von der Humbert Street wegzukommen, während andere sich in entgegengesetzter Richtung auf den Bürgersteigen voranstießen, um eben dorthin zu gelangen. Die Flüchtenden in der Mitte schrien den anderen Warnrufe zu.
    »Um Gottes Willen, kehrt um...!«
    »Die Humbert ist ein Hexenkessel...!«
    »Da werden Kinder totgetrampelt...«
    Er hielt ein junges Mädchen am Arm fest. »Was

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