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Der Nachbar

Titel: Der Nachbar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Minette Walters
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ist da los?«, fragte er sie.
    In Panik schlug sie nach ihm. »Lass mich sofort los!«
    »Ich will dir nichts tun«, beteuerte er. »Aber meine Freundin ist irgendwo da vorn. Melanie Patterson. Sie hat die Demo organisiert. Kennst du sie? Hast du sie gesehen?«
    Das Mädchen schnappte nach Luft. »Ihre Mutter hilft den Leuten raus«, stieß sie stotternd hervor und wies zu einer etwa fünfzig Meter entfernten Lücke im Zaun. »Sie ist da drinnen.«
    »Und Melanie?«
    Sie versuchte, sich von ihm loszureißen. »Ich weiß es doch nicht«, schrie sie und begann, wieder auf ihn einzuschlagen. »Ich hab mit dem ganzen Scheiß nichts zu tun. Ich will nur heim.«
    Er gab sie frei und drängte sich zu dem eingerissenen Zaun durch. Es wurde immer offenkundiger, dass es nirgends in diesem Tollhaus Ruhe oder Sicherheit gab. Was sich hier abspielte, war Anarchie. Aber was, fragte er sich, wollten die Leute erreichen? Wollten sie hier alles kurz und klein schlagen? Für einige wenige Stunden öffentlichen Aufsehens das Bisschen, was sie hatten, dem Erdboden gleichmachen? Und es den Mrs Hinkleys dieser Welt überlassen, den Scherbenhaufen zusammenzufegen, wenn sie sich ausgetobt hatten? Wussten sie überhaupt, was sie wollten?
    Es war der reine Irrsinn. So viele Jugendliche wie sich verzweifelt durch die Lücke im Zaun zur Straße hinaus durchkämpften, drängten von draußen in die Gärten hinein. Die ängstlichen Warnungen der Fliehenden wirkten offensichtlich nicht abschreckend, sondern regten im Gegenteil die Neugier und Sensationslust an. Unter Einsatz seines mächtigen Körpers erzwang er sich den Durchlass und ließ den Blick über die wogende See von Köpfen schweifen, um zu erkennen, was vor sich ging.
    Er sah ein Inferno miteinander ringender Leiber, von denen die einen in die eine Richtung strebten, die anderen in die andere. Er sah eine Freundin von Melanies Bruder, Lisa, die keine zehn Meter entfernt, in einer Zaunlücke zum Nachbargarten, zornig mit einer Gruppe Jugendlicher stritt. Weinend stellte sie sich ihnen in den Weg.
    Noch während Jimmy hinsah, sprang einer der jungen Burschen auf sie zu und packte sie an der Bluse, um sie wegzureißen. Jimmy startete durch, fegte Jugendliche auf die Seite wie Konfetti, immer das Mädchen im Auge, das wie eine wütende Löwin die Bresche im Zaun verteidigte. Bravo, Kleine, lobte er im Stillen, als sie sich an den Zaunpfählen zu ihren beiden Seiten einstemmte und den anstürmenden Jungen mit Fußtritten gegen die Schienbeine abzuwehren suchte.
    Er nahm den Angreifer in den Schwitzkasten und brachte ihn mit einem wuchtigen Handkantenschlag auf den Unterarm dazu, Lisa loszulassen. »Was soll das hier?«, fragte er scharf und stemmte sich mit seinem ganzen Körpergewicht von hundertfünfzehn Kilogramm gegen den Druck der hinter ihm nachdrängenden Menschen.
    »Sie hat doch sowieso schon massenweise Leute durchgelassen«, erklärte einer der Jungen aggressiv. »Wieso regt sie sich jetzt wegen uns auf?«
    »Ich hab's nicht geschafft, sie aufzuhalten.« Lisa schluchzte hysterisch und zog die Bluse über ihrer flachen Brust zusammen. »Ihr seid alle so was von bescheuert! Ihr denkt, das ist alles nur 'n Witz.«
    Jimmys Blick glitt von ihr ab und flog über das chaotische Getümmel in den Gärten hinter ihr. »Was habt ihr denn für einen Plan?«
    Sie wusste, wie wichtig es war, ihm klar verständlich zu machen, worum es ging, deshalb holte sie tief Luft, um das Schluchzen zu unterdrücken. »Wir wollen einen Ausgang zur Forest Road freihalten und die Leute dazu bringen, dass sie nach Hause gehen. Vorn in der Humbert Street haben wir eine Haustür aufgemacht. Da steht Melanies Mutter. Sie hat gesagt, wir müssen schauen, dass der Durchgang hier hinten offen bleibt. Aber es klappt nicht, weil die Leute so drängeln.«
    »Okay.« Jimmy schlang seinen Arm fester um den Hals des Jungen, den er im Schwitzkasten hatte, und packte mit der anderen Hand seinen mürrischen Freund beim Kragen. »Wenn du weißt, wer ich bin, brauchst du nur zu nicken«, sagte er.
    Der Junge nickte.
    »Dann legt euch lieber nicht mit mir an, ich bin nämlich sowieso schon stinksauer. Also, passt genau auf. Meine Freundin und ihre Kinder sind in der Humbert Street, und ich will sie da rausholen. Dabei werdet ihr mir helfen. Ist das klar?«
    Wieder ein Nicken.
    »Gut.« Er ließ die beiden los. »Wie viele seid ihr? Sechs? Sieben?«
    »Sieben.«
    Er suchte die vier Kräftigsten unter ihnen aus und postierte sie

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