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Der Nachtelf (German Edition)

Der Nachtelf (German Edition)

Titel: Der Nachtelf (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Tillmanns
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Kette, die sie ihr unter dem Ring durchgedrückt hatten, immer noch an ihrem Hals spüren. Sie duldeten keine Schwäche. Wer nicht wusste, was sie wissen, wer nicht konnte, was sie können, mit dem kannten die Älteren keine Gnade. Wenn man Glück hatte, warfen sie einem nur die Sandalen und den Lendenschurz in den Abort. Und Dadalore wusste oft nicht, was sie wissen sollte. Anfangs, da hatte sie eine Freundin gehabt: Maruba-Was-will-sie-denn. Sie waren durch die Gänge der Schule zum Allerheiligsten geschlichen, sie hatten den Priesterinnen die Farben vertauscht, waren auf dem alten König-Jokabi-Standbild herum geklettert. Es war so schön gewesen.
    Aber sie hatte gemerkt, wie viele Dinge Dadalore nicht konnte, wie hilflos, sie war, wenn die Älteren sie herumschubsten. Und Maruba hatte das Korbflechten erlernt. Maruba hatte das Tanzen erlernt. Maruba hatte plötzlich tausend Dinge zu tun, die wichtiger waren. Dadalore war jetzt allein. Und sie musste leise sein. Wenn die anderen sie hörten, würde es wieder losgehen. Sie versuchte, das Weinen zu unterbinden. Unterdrücktes Schluchzen. Bis es ganz still wurde.
    Totenstill.
    Und jetzt konnte sie die Schritte hören.
    Dadalore starrte in die Dunkelheit. Da waren die Monster. Sie kamen, um sie aus dem Bett zu holen. Schützend legte sie die Hände um den Hals.
    Die Schritte kamen näher.
    Sie sah gar nichts. Wo blieb das Nachtlicht? Warum schlichen sie denn durch das Dunkle?
    »Irmhobib?«, flüsterte sie.
    Augenblicklich hielten die Schritte inne. Die Stille dehnte sich zu Ewigkeiten. Sie sagte ja gar nichts.
    »Irmhobib, ich bin hier.« Ihre Stimme war nur mehr ein Hauchen.
    Da waren die Schritte wieder. Und jetzt schienen sie direkt auf Dadalore zuzuhalten. Die Sklavin erstarrte.
    »Ruhig, Kind, ich bin es.« Irmhobibs Stimme.
    Nun musste Dadalore doch wieder weinen. »Ich kann dich nicht sehen. Wo ist denn dein Talglicht?«
    Kaum hatte sie die Frage gestellt, da flammte das vertraute Licht in der Hand der Schamanin auf. Ein warmer, gelber Schein lag auf ihrem Lächeln. »Nicht weinen, Kind, es wird alles gut.«
    »Vorsicht, das Monster ...«, stammelte Dadalore.
    »Es gibt hier kein Monster, nur mich. Nur mich.«
    Irmhobib strich ihr das Haar zurück. Das hatte sie früher nie getan.
    Die Priesterin unterbrach die Bewegung plötzlich und nahm sie in den Arm. Und Dadalore fiel in eine Welt aus Weichheit und Wärme. Und fiel. Tiefer und tiefer.
    Irgendwann, die Wirklichkeit mochte inzwischen ein paar Mal untergegangen und wieder neu erstanden sein, da öffnete sie die Augen wieder und das Licht war fort.
    »Irmhobib?«
    »Da vorne ist sie!«
    Hüpfende kleine Flammen näherten sich.
    »Wo? Ich kann sie nicht sehen.«
    »Dadalore? Ihr müsst sprechen! Ruft etwas, damit wir Euch finden.«
    »Irmhobib? Ich bin hier.«
    Plötzlich tauchte Zuluward über ihr auf. Eine Fackel strahlte ihr grell in die Augen. »Sie ist direkt vor uns.«
    »Bei der Tiefe des Abgrunds, das ist ja riesig hier.« Irmfi.
    Valenuru trat in den Lichtkreis. Er sah so seltsam zu ihr hinunter, als ob etwas mit ihrem Aussehen nicht stimmte. Dadalore begann an ihrer Frisur herum zu nesteln. »Entschuldigt«, wisperte sie, »ich konnte doch nicht wissen, dass so viel Besuch kommt.«
    Da war Bamulaus. Warum war er so ärgerlich? »Eure Capitalobservatorin, könnt Ihr laufen?«
    Dadalore nickte. Lächelte.
    Aber sie wurde mehr auf die Beine gezogen, als dass sie aus eigener Kraft aufstand. Irmfi war ganz plötzlich neben ihr. Sie stützte ihren Arm.
    »Was stimmt denn mit Euch nicht?«, fragte Zuluward, da trafen ihn ein Schlag Irmfis vor die Brust und ein brennender Blick.
    »Wer weiß, was sie durchgemacht hat.« Irmfi. Oder Zuluward. Die Stimmen verschwammen. »Vielleicht ist sie dem Monster begegnet.«
    »Welchem Monster?« Valenuru.
    »Das können wir Euch später erklären.« Bamulaus? »Sie kann so die Wache nicht leiten, auf keinen Fall.«
    »Es geht mir gut«, flüsterte Dadalore.
    »Ihr seid der ranghöchste Beamte. Wenn Ihr bitte die Befehlsgewalt ausübt!« Irmfi? Nein, Bamulaus.
    »Als erstes bringen wir sie hier raus. Irmfi, du gehst voraus und organisierst eine verschleierte Sänfte. Ich will nicht, dass man sie so durch die Stadt laufen sieht. Zuluward, du besorgst Lakaien: einen Siebenschläfer, eine Eule und einen Löwen, verstanden? Bamulaus fasse mit an!«
    Alles geriet in Bewegung. Fackeln wurden geschwungen und Menschen liefen.
    Alles ging so furchtbar

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