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Der Nachtelf (German Edition)

Der Nachtelf (German Edition)

Titel: Der Nachtelf (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Tillmanns
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stand.
    Dadalore blieb stehen.
    Und was, wenn die Fliege nicht ins Netz ging, sondern vorsichtig zwischen den Fäden hindurch schlüpfte?
    Sie zog die Stiefel aus und stellte sie vor der Wand ab.
    Die Kacheln lagen kalt und glatt unter ihren Fußsohlen.
    Dadalore schlich Schritt um Schritt auf die angelehnte Tür zu. Hätte sie doch nur eine Wüstenmaus oder einen Gecko mitgenommen, an Stelle eines Elefanten. Aber das Klirren des Tons hätte man ohnehin meilenweit gehört.
    Es gelang ihr tatsächlich, sich nahezu lautlos fortzubewegen.
    Da knirschte das Leder ihrer Rüstung.
    Verdammt! Dadalore vergrub die Fingernägel im Fleisch. Ihre Wunde brannte unter dem Verband.
    Im Empfangszimmer blieb alles ruhig.
    Sie war jetzt kurz an die Tür herangekommen. Wenn sie daran vorbei wollte, würde sie unweigerlich für einen kleinen Augenblick durch den Türspalt zu sehen sein. Egal wie lautlos sie sich bewegte, das könnte auf einen Schlag alles zunichtemachen.
    Andererseits war die Tür nur einen winzigen Spalt offen. Sie wäre nicht im ganzen Raum erkennbar, sondern nur in einem schmalen Sichtstreifen.
    Dadalore rief sich in Erinnerung, wo der Diwan stand. Wenn Annanaka darauf lag, würde sie nur das Holz der Tür sehen.
    Die Capitalobservatorin musste es versuchen.
    Mit angehaltenem Atem huschte sie unmittelbar vor das Zimmer. Sie konnte der Versuchung nicht widerstehen und sah durch den Türspalt. Ein schmaler Ausschnitt der Seitenwand mit einer Kerze davor, die selbst bei Tage noch brannte.
    Keine Annanaka. Gut.
    Und weiter. Sie durfte jetzt nicht unvorsichtig werden. Nicht gesehen zu werden, brachte gar nichts, sobald auch nur das kleinste Geräusch sie verriet.
    Stück für Stück schlich sie voran.
    Das Empfangszimmer blieb hinter ihr zurück.
    Sie näherte sich dem Gangende, den mächtigen Türflügeln, hinter denen Heiduguns Reich begann. Noch drei Schritte, zwei, einen – geschafft!
    Dadalore unterdrückte ein Aufatmen. Wie weiter? Wenn sie diese Tür öffnete, würde man das garantiert hören. Dann war die Zeit der Heimlichkeit vorbei. Von da an würde es um Geschwindigkeit gehen.
    Dadalore legte ihr Ohr auf die Tür, während sie mit einem Auge den Eingang zu Annanakas Räumlichkeiten im Blick behielt. Durch das dicke Holz drangen gedämpfte Stimmen und Musik.
    Sehr gut, Heidugun war hoffentlich hier. Allerdings hatte sie seinen Bass nicht vernommen.
    Also dann.
    Dadalore holte tief Luft. Anschließend klopfte sie an, und schlüpfte, so schnell es ging, auch schon ins Innere. Es war der gleiche Saal, in dem sie vor Tagen der Messe beigewohnt hatte, doch davon war nichts mehr zu spüren. Zum Klang von Kora und Trommeln tanzten verschleierte Gestalten zwischen gewaltigen Kissenlandschaften hin und her. Die Kissen bildeten flauschige Inseln, die jeweils von einem Patriarchen beherrscht wurden, der sich mit weiteren Sklaven umgab. Einige sahen neugierig oder unwirsch zu Dadalore hinüber, die meisten jedoch sprachen ihrem Weinbecher zu oder ließen sich mit geschlossenen Augen verwöhnen.
    Die Capitalobservatorin machte den Obersten Staatsschamanen ausfindig. Seine voluminöse Gestalt lag rücklings auf einer der Inseln, die schwarzen Fleischmassen lagen bloß. Sein letztes verbliebenes Kleidungsstück, ein goldener Lendenschurz, verschwand fast völlig unter dem ausufernden Bauch. Im linken Arm hatte der Priester ein nacktes Mädchen, das ihm über die Brust leckte. Im rechten Arm lag ein gleichfalls unbekleideter Jüngling, dessen Hand tief unter Heiduguns Bauchfalte verschwunden war. Der Schamane hatte die Augen geschlossen und genoss die Behandlung sichtlich.
    »He da! Was habt Ihr hier zu suchen?« Zwei Palastwächter näherten sich Dadalore. Die glitzernden Uniformen mochten verspielt aussehen, aber die erhobenen Säbel waren gewiss echt.
    Die Sklavin schluckte. »Ich bitte mein Eindringen zu entschuldigen, aber die Sicherheit von König und Imperium gebieten es, dass ich unverzüglich den Obersten Staatsschamanen spreche.«
    Heidugun öffnete die Augen, nur um sie im gleichen Atemzug wieder zu zwei engen Schlitzen zusammenzukneifen. »Ich hoffe in Eurem Interesse, dass es wahrhaft wichtig ist.«
    Dadalores Kehle wurde ganz trocken. »So wichtig wie ein direkter Befehl des Königs.«
    Heidugun sah sie finster an und erhob sich mühsam. Die beiden Sklaven purzelten geradezu von ihm herunter und mühten sich mit eingeschränktem Erfolg ihm aufzuhelfen. Als er endlich stand, schüttelte er sie ab wie zwei

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