Der Nachtelf (German Edition)
aus.« Ghalikans Sorge war so falsch wie sein Grinsen.
Dadalore lächelte als Antwort nur schwach zurück.
Himmel und Abgrund, sie war sogar überhaupt nur hier, weil er sie hierhin bestellt hatte. An den Rand der Bühne, genau dorthin, wo König Gowofred in wenigen Augenblicken auftauchen würde. Genau zu dem einzigen Ort, an dem sie jetzt auf gar keinen Fall sein durfte.
Hektisch drehte sie sich um.
Patmelu stand hinter ihr mit loderndem Blick, zwei Rittari an jeder Seite. Augenscheinlich hielt ihn nur noch die Präsenz des Obersten Schamanen davon ab, sie sofort zu verhaften.
Es war aussichtslos, die Falle hatte zugeschnappt.
Die offizielle Feier begann mit einem wilden Trommelkonzert. Dunkelhäutige Bürger, die in die traditionell bunte Tracht des Stammes Shaguanas gekleidet waren, tanzten dazu auf der Bühne, schwangen die Speere und lieferten sich wilde Schaukämpfe.
Dadalore beachtete das Spektakel kaum.
Sie musste hier heraus, irgendwie. Vielleicht unter die Bühne. Aber der Aufbau war zu den Seiten geschlossen. Ganz abgesehen von den Unmengen Elitesoldaten, die davor standen.
»Wer hätte gedacht, dass Ihr Euch doch noch überreden lassen würdet, das Fest mit mir zu verbringen?« Ghalikans Charme hätte eine unbedarftere Person einwickeln können. Dadalore wusste es besser. Von diesem Unmenschen war keine Hilfe zu erwarten. Oder doch?
»Manchmal ändern Menschen ihre Meinung«, sagte sie und lächelte aufreizend. Sie schwitzte.
Vielleicht sollte sie besser Heidugun alles sagen. Aber hier müsste sie es ihm entgegen brüllen. Patmelu würde es hören. Ghalikan würde es hören. Wem konnte sie noch trauen?
Mit einem furiosen Trommelwirbel erreichte der Stammestanz seinen Höhepunkt. Die falschen Krieger überließen die Bühne nun weißhäutigen Bürgern in der traditionellen, fellreichen Stammestracht Teutomars. Der ohrenbetäubende Klang von Hörnern ertönte, die falschen Krieger schwangen ihre Keulen und begannen, über die Bühne zu tanzen und sich spektakuläre Schaukämpfe zu liefern.
Dadalore beugte sich zu Ghalikan hinüber und rief: »Hättet Ihr Lust, unser kleines Schäferstündchen nachzuholen? Wir könnten uns in Eurer Sänfte davonmachen.«
Der Hexenmeister bleckte die Zähne. »Aber sicher doch. Ich habe eine Vorliebe für Spätbekehrte. Ihr könnt Euch gar nicht vorstellen, wie öde es ist, wenn man keine Widerstände überwinden muss.« Dabei beobachtete er weiter die Darbietung.
»Lasst uns sofort aufbrechen.« Sie strich ihm über die Brust. »Ich habe schon zu lange gewartet.« Aus dem Augenwinkel nahm sie wahr, wie Patmelu hinter ihr den Kopf schüttelte.
Ghalikan griff ihre Hand mit der seinen. Weiße Knochen legten sich zwischen ihre Finger und ließen sie nicht mehr los. »Ich bin sicher, Eure Leidenschaft kann noch bis nach der Vorstellung warten«, rief er. Etwas in seinen Augen blitzte.
Der Stammestanz erreichte seinen rasanten Höhepunkt, die Hörner schmetterten und brachen schließlich abrupt ab. Die Darsteller verließen die Bühne.
Drei Personen traten auf. Ein Mann, den sein Wolfsfell als Teutomar kenntlich machte. Eine Frau, deren Knochenkeule sie als Shaguana verriet. Die dritte Gestalt war ein stark übergewichtiges Kind von vielleicht neun Jahren, das ein kurioses Kostüm aus Wolfs- und Leopardenfell trug.
»Wer ist denn die kleine Dicke dort?«, fragte Dadalore in gespieltem Interesse.
»Das soll Babamine-Wem-sieht-sie-ähnlich sein, die mythologische erste Tochter von Teutomar und Shaguana.« So laut Ghalikan auch rief, seine Stimme verlor nie ihren anzüglichen Ton.
»Ach? Ich hätte gedacht, dass die beiden, nun, ein wenig früher geheiratet hätten.«
Ghalikan machte eine wegwerfende Geste. »Vermutlich ist sie der Augapfel von irgendwem Wichtigen und musste unbedingt in die Feierlichkeiten aufgenommen werden.«
»Seht nur, wie putzig!«, rief Dadalore aus. »Jetzt sagt sie ein Gedicht auf!«
»Nein«, korrigierte Ghalikan, »es wirkt nur wie ein Gedicht, weil sie so oft ins Stocken gerät.«
»Aber es reimt sich doch.«
»Wenn man so stark nuschelt, reimt sich irgendwie alles.«
Dadalore versuchte sich aus seinem Griff zu lösen, aber seine Knochenklaue hielt sie umklammert wie ein Schraubstock.
Sie lächelte gezwungen. »Warum sagt denn jetzt niemand mehr etwas?«
»Ich glaube, die Kleine hat ihren Text vergessen.« Ghalikan schien jetzt erst richtig Gefallen an der Vorstellung zu finden.
»Ach herrje, jetzt fängt die Arme auch
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