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Der Nachtelf (German Edition)

Der Nachtelf (German Edition)

Titel: Der Nachtelf (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Tillmanns
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kostbaren Gewändern mit gewagten Schnitten, die hier fein säuberlich Bügel für Bügel hingen. Offenbar mochte es die Bewohnerin sehr modisch. Auf dem Boden des Schranks standen glänzend polierte Lederschuhe, daneben ein Kästchen, ganz ähnlich dem, das Konmani entwendet hatte.
    Dadalore fischte danach und klappte es auf. Goldketten, Ohrringe mit Brillanten daran, silberne Armreifen, ein goldenes Diadem, der Schmuck funkelte ihr nur so entgegen. Ein mehr als ungehöriger Inhalt für eine Priestersklavin. Dadalore erwog kurz, das Kästchen einfach aus dem Fenster zu entleeren. Aber sie durfte keine Spuren hinterlassen. So legte sie alles wieder an seinen Ort zurück und schloss den Schrank. Da war noch eine Truhe.
    Sie war verschlossen.
    Warum bewahrte jemand, der eine abschließbare Truhe besaß, sein Geschmeide im Schrank auf? Vielleicht war die Antwort darauf ja in der Truhe zu finden. Sie aufzubrechen wäre allerdings das Ende aller Heimlichkeit. Geschickte Diebe könnten vielleicht das Schloss manipulieren, aber dazu sah sich Dadalore außer Stande. Also versandete ihre Durchsuchung wohl hier.
    Einem plötzlichen Einfall folgend öffnete sie noch einmal den Schrank und durchwühlte die Taschen der Gewänder. Beim fünften wurde sie fündig. Sie zog einen Schlüssel hervor. Der Größe nach könnte er passen!
    Dadalore steckte den Schlüssel ins Schloss der Truhe und drehte. Es klickte. Der Deckel sprang auf.
    Was für ein absonderlicher Inhalt. Auf den ersten Blick lag hier nur Plunder beieinander. Schüsseln mit dreckigen Ablagerungen auf dem Boden, rostige Messer, Vogelfedern und Tierfelle. Möglicherweise war das Wichtigste ja das, was nicht hier war. In einer Ecke der Truhe war eine rechtwinkelige Aussparung, genau eine Elle lang. Aber wenn Konmani das Holzkästchen hier entwendet hatte, wieso war die Truhe abgeschlossen?
    Dadalore wollte den Deckel gerade wieder zuklappen, da sah sie direkt neben der leeren Stelle einen Zipfel zwischen zwei Fellen hervor lugen. Behutsam zog sie daran. Es war ein Pergament, vielmehr ein abgerissener Streifen. In einer ausladenden Schrift war darauf notiert: in der Waffenkammer, Kalungatag, bei Einbruch der Dämmerung.
    Kalungatag, das war heute. Und bis zum Abend war es nur noch eine Stunde. Wo die Waffenkammer lag, ließ sich sicher in Erfahrung bringen. Etwas an dieser Nachricht kam Dadalore seltsam vor. Sie las noch einmal: in der Waffenkammer, Kalungatag, bei Einbruch der Dämmerung. Es war die Zeitangabe: bei Einbruch der Dämmerung. Wenn sie sich eine Notiz über ein Treffen machen würde, was würde sie schreiben? Nach dem Abendregen? Nein, zu poetisch. Vermutlich notierte sie einfach nur die Uhrzeit, das ging am schnellsten. Aber die Bewohnerin dieses Zimmers, die Frau, die Plunder höher schätzte als Gold, schrieb bei Einbruch der Dämmerung. Das klang konspirativ. Und es klang nach einer Frau, die an eben dieser Geheimhaltung Gefallen fand und es genoss, Dinge verbergen zu können.
    Dadalore fasste grimmig einen Entschluss: Das ominöse Treffen heute Abend würde einen Gast mehr haben, als die Gastgeber beabsichtigten.
    Da zerriss wieder einer dieser furchtbaren Schreie die Stille. Dadalore fröstelte. Verflucht, das konnte doch einfach nicht wahr sein. Und nie schien jemand außer ihr das Entsetzliche zu hören. Sie barg den Kopf in beiden Händen. Wenn sie schon den Verstand verlor, war es grausam von den Göttern, dass sie es auch noch merken musste.
    Rasch nahm sie einen ihrer beiden Lakaien. Eine Eule. Sie atmete ihn tief ein und spürte, wie ihr Geist sich klärte. In das Gefühl der Erlösung mischte sich die Sorge, dass sie nun nur noch eine Kugel bei sich trug. Die würde sie unbedingt heute Abend brauchen. Aber so lange würde die Wirkung der Eule nicht vorhalten. Dazwischen drohte ihr ein entsetzliches Loch, in dem sie das Gewicht der Welt erdrücken würde.
    Sie musste noch einmal zur Dienststelle.
    Für den Hinweg hatte sie über eine halbe Stunde benötigt. Das würde nicht funktionieren. Sie wäre zu spät wieder hier. Der Abgrund sei verflucht!
    Außerdem durfte sie so, wie sie war, unmöglich am Treffpunkt auftauchen.
    Ihre Gedanken wurden nun durch die Weisheit des Lakaien beflügelt und im Nu stand der Plan, der sie in das konspirative Treffen führen sollte.
    Dadalore schloss die Truhe wieder ab und legte den Schlüssel zurück. Dann nahm sie einen Goldohrring aus dem Schmuckkästchen. Sie entledigte sich rasch ihrer Uniform und schob den

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