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Der Nachtelf (German Edition)

Der Nachtelf (German Edition)

Titel: Der Nachtelf (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Tillmanns
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brauchte, um zu verstehen, was hier vor sich ging. Sie hätte ebenso gut mit einem Hund schimpfen können. Er spürte, dass man ihm gram war, und zog den Schwanz ein. Mehr nicht.
    Valenuru eilte um seinen Tisch herum. Er fasste sie an den herunterhängenden Schultern. »Dadalore!«
    Sie sah auf in die grünen Augen. Nein, korrigierte sie sich. Das waren nicht die Augen eines Hundes. Das waren die Augen eines Wahnsinnigen.
    Er war ihr ganz nah gekommen und sagte es noch einmal: »Dadalore!« Dieser Duft. »Wo immer Ihr jetzt steckt, kommt zurück!« Seine Hände massierten ihre Schultern. Sein Mund war direkt vor ihrem Ohr: »Ich weiß, es ist nur eine hässliche kleine Dienststube, ein Haufen langweiliger Pergamente und ein schreckliches Leben. Aber es ist Euer Leben. Lasst es nicht einfach hier zurück und flüchtet Euch, der Abgrund weiß, wohin. Öffnet endlich die Augen! Es ist als ob Ihr vor einer riesigen Garküche voller duftender Köstlichkeiten stündet. Und alles, was Ihr seht, ist das Fett, das auf die Schürze gespritzt ist.«
    Dadalore hatte die Augen geschlossen. Diese Massage wollte sie mit sich nehmen und einfach fortspülen. Aber sie stemmte sich mit aller Kraft dagegen und sagte: »Könnt Ihr nicht verstehen, dass ich in echten Schwierigkeiten stecke?«
    Sie öffnete die Augen, weil ihre Schultern plötzlich frei waren. Valenuru lächelte sie an. »Oh, Ihr spielt auf den suboptimalen Verlauf Eurer Begegnung mit Ghalikan an? Gewiss, er setzt Euch unter Druck. Ich habe mir erlaubt, mich vergangene Nacht darum zu kümmern. Gleich nachdem ich Eure Uniform und die Waffen abgeholt und Euer geliehenes Gewand zurückgebracht hatte.«
    Wovon bei allen drei Göttern sprach er da? Er hatte doch nicht etwa die Nacht hindurch für sie gearbeitet?
    »Während Ihr den müden Gliedern ein wenig Ruhe gönntet, habe ich ein paar Erkundigungen eingezogen. Der Herr Hexenmeister wirft Euch üble Dinge vor. Es ist ein hohes moralisches Ross, auf das er sich dort begeben hat. Da kam mir ein Gedanke. Das Moralisieren ist mir immer fremd geblieben. Wer die Moral mit dem Munde in die Welt trägt, der muss sie meist herauslassen, weil sein Gewissen sie davongejagt hat. Seht Ihr, worauf ich hinaus will?«
    Übergeschnappt. Er war übergeschnappt.
    »Wenn also der Herr Hexenmeister Euch wegen eines kleinen Fehlers unter Druck setzt, können wir das mit ihm allemal auch. Bei meinen Nachforschungen stieß ich auf eine alte Geschichte, die Ghalikan in gar keinem schönen Licht erscheinen lässt. In einer weniger heimeligen Gegend Kamboburgs erzählt man sich nämlich von einem gewissen Vorfall. Darin war eine unschuldige Dame das Opfer und der Oberste Hexenmeister ein – verzeiht den Ausdruck – geiler Bock und Gewalttäter zugleich. Wenn das öffentlich würde, nicht auszudenken, was dann mit dem hohen Herrn geschähe.«
    Dadalore stand einfach nur da. Ihr Verstand mahlte und mahlte.
    »Ich habe mir erlaubt, den derzeitigen Wohnort dieser Dame ausfindig zu machen. Eine gewisse Marmara in der Marabu-Gasse. Ich schlage vor, wir statten ihr einen kleinen Besuch ab und hören uns einmal an, was sie zu erzählen weiß. Was sagt Ihr?«
    »Klingt gut«, erwiderte Dadalore automatisch. Dennoch schüttelte sie den Kopf und fuhr sich durch die Haare. Sie waren immer noch feucht. Schließlich glättete sie ihr Haar wieder, nur um noch einmal den Kopf zu schütteln. »Ihr ...« Sie schluckte. »Ihr wart die ganze Nacht auf den Beinen, um mir zu helfen?«
    »Ach das, es war eine schöne, mondklare Nacht.«
    »Ihr habt die ganze Nacht kein Auge zu getan, um mir zu helfen? Habt diese Frau ausfindig gemacht und alte Geheimnisse in Erfahrung gebracht, nur um mir zu helfen?«
    »Nun, Ihr hattet vorgestern den Eindruck erweckt, dass es Euch ein bedeutendes Anliegen sei, Ghalikans Übergriffe abzuschütteln.«
    Dadalore fasste sich an den Kopf. »Und ich schelte Euch wegen einer Nichtigkeit? Ich kann Euch gar nicht sagen, wie leid es mir ... Ich bin ...«
    Valenuru zog etwas aus der Tasche. »Lakai?«
    Es war ein Löwe. Dadalore nahm das Präsent dankend an, wenngleich es das Gefühl, in seiner Schuld zu stehen, noch verstärkte. Aber das wäre ja gleich vorbei. Die Tonkugel schepperte. Die Beamtin sog den blauen Nebel auf. Das Gefühl von Scham und Schuld, das sie gleich nach dem Aufstehen übermannt hatte, ebbte endlich ab. Sie musste daran denken, sich ein paar Lakaien mit nach Hause zu nehmen. »Danke.«
    »Oh, keine Ursache. Wie steht es um

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