Der Nachtelf (German Edition)
sah an sich selbst hinunter. Sie könnte die Stiefel ausziehen, aber auf diesem glatten Untergrund würde sie mit den nackten Füßen auch nicht weiter kommen. Ansonsten trug sie nur noch die Uniform, ihre drei Lakaien waren ja schon fort. Es sah tatsächlich ganz so aus, als ob sie hier festsaß.
Die Sklavin pfiff durch die Zähne. Vielleicht gab es doch noch eine Möglichkeit. Sie zog den Säbel heraus. Fangkufas! Die legendäre Waffe durften die Ruptu auf keinen Fall zu sehen bekommen. Auch wenn Sukush behauptete, dass es die Ruptu-Kriege nie gegeben habe. Wenn die Echsen die Waffe noch kannten, die so viele von ihnen bezwungen hatte, würden sie sich gewiss ihres alten Hasses erinnern.
Dadalore fuhr versuchsweise mit dem Daumen ganz sachte über die Klinge. Augenblicklich erschien ein winziger Blutstropfen darauf. Sie lutschte das Blut vom Finger. Anschließend führte sie einen Säbelangriff gegen die Wand. Die Waffe schnitt hinein, als ob es kaum Widerstand gäbe. Sie steckte nun im Erdreich.
Was nun folgte, tat Dadalore weh. Bei allem, was sie je über den Umgang mit der Waffe gelernt hatte, war dies nie vorgekommen, ja, es war eine Beleidigung für jeden guten Säbel und bei dieser heiligen Waffe ein Sakrileg.
Aber sie hatte keine Wahl. Die Capitalobservatorin sprang noch einmal in die Höhe und trat mit dem rechten Fuß auf den Griff des Säbels. Die mythische Waffe federte – und hielt! Nun konnte sie sich von ihrem improvisierten Steigbügel bis zum Rand des Loches strecken. Als sie mit den Händen fest dort hing, presste sie die Stiefel von beiden Seiten zugleich gegen den Griff von Fangkufas. Vorsichtig zog sie die Waffe hinaus. Der Säbel glitt so mühelos aus dem Erdreich, wie er hinein gelangt war. Sie warf Fangkufas mit einer ruckhaften Bewegung beider Unterschenkel aus dem Loch heraus. Ein weicher Aufprall auf lockerem Humus.
Gut. Jetzt nur noch sie selbst.
Dadalore zog sich nach oben und kletterte vollends aus dem Loch.
In der Dunkelheit tappte sie eine Weile umher, bis sie den Säbel wieder gefunden hatte. Soweit sie das bei diesem spärlichen Licht sagen konnte, hatte die Waffe keinen Schaden davongetragen.
Legendäre Waffen konnten sehr eigen sein. Die Capitalobservatorin hoffte nur, Fangkufas würde für diese Behandlung nicht nach Rache trachten.
Dadalore warf einen letzten Blick auf das Ruptu-Gehege. Vereinzelt sahen Jungechsen zu ihr hinüber. Sie fühlte sich furchtbar unter diesen Blicken. Da sie die Ruptu nicht unterscheiden konnte, war es gut möglich, dass Sukush unter ihnen war.
Sie war froh, als sie endlich über den Nebenpfad zum Hauptweg zurückkehrte. Zugleich fiel die Wirkung des Lakaien von ihr ab. Sie sollte sich glücklich schätzen, dass sie es noch geschafft hatte. Aber wie immer, wenn die Wirkung nachließ, blieb ein Gefühl der Leere zurück. Die Welt schien ein Stück von ihrer Farbe verloren zu haben, die wundervollen Orchideen der königlichen Gärten verblassten, der Himmel war weniger blau und selbst die Sonne verlor an Glanz wie eine alte Funzel. Dadalores Gedanken flogen wie von selbst in die Dienststelle. Sobald sie wieder dort war, musste sie dringend einen neuen Lakaien nehmen.
Mit diesem Ziel näherte sich die Capitalobservatorin dem Strom von Ausflüglern und Erholungssuchenden, da sah sie ein bekanntes Gesicht in der Menge. Das war Tafariward! Aber für einen Spaziergang während der Mittagsruhe war seine Schreibstube in Selassie eindeutig zu weit entfernt. Es musste ihn also etwas anderes hier her geführt haben. Vielleicht versuchte er das gescheiterte Techtelmechtel mit seiner Hure nachzuholen? Sie könnte in irgendeinem Gebüsch auf ihn warten. Oder es steckte doch etwas anderes dahinter.
Dadalore rang kurz mit sich selbst. Der Wunsch nach einem neuen Lakaien wurde schließlich vorerst von ihrer Neugier bezwungen. Sie beschloss, der Sache auf den Grund zu gehen.
Dadalore gliederte sich wieder in die Besucher der Gärten ein und schwamm mit der Menge. Dabei achtete sie jedoch sorgfältig darauf, Tafariward nicht aus den Augen zu verlieren. Er gebärdete sich wie ein Parkbesucher, roch an den Lilien, bestaunte die üppigen Ziersträucher und bewunderte die riesigen Mangrovenwurzeln in Seenähe. Das alles machte sie nur noch misstrauischer. So kurz nach seinem unterirdischen Fluchtversuch nahm sie dem Capitalmeisterscriptor den Pflanzenliebhaber einfach nicht ab.
Kurz vor dem See löste sich der Sklave plötzlich aus der endlosen
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