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Der Nachtelf (German Edition)

Der Nachtelf (German Edition)

Titel: Der Nachtelf (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Tillmanns
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wie ein Strohhalm, schleuderte über den Boden und kam mit einem Knacken vor der rückwärtigen Wand zum Liegen.
    Die Sklavin sah auf den Alten herab, seine verrenkten Glieder. Warum bewegte er sich nicht?
    Da war so viel Blut.
    Der Kopf stand so seltsam vom Körper ab.
    Auf einmal begann sie zu zittern.
    Der dürre, alte Mann, das war doch kein Gegner für sie. Dadalore versuchte sich zu erinnern, warum sie ihn geschlagen hatte, aber da war nur Leere in ihr.
    Sie wollte einen Schritt auf den ... Verletzten zu machen. Er war gewiss nur verletzt. Aber ihre Beine regten sich nicht. Warum stand er denn nicht einfach wieder auf?
    »Ich gehe jetzt.« Sie klang so zittrig, warum klang sie so zittrig? »Ich will Euch ... bleibt ruhig dort ...« Ihre Stimme versagte.
    Dadalore taumelte zurück zur Treppe.
    Sie wusste später nicht zu sagen, wie sie die unendliche Stufenzahl hinab geschritten war. Der Eindruck einer nicht enden wollenden Folter aus Windungen verschwamm in ihrer Erinnerung. Doch was sie nie vergessen würde, das waren die Blicke der anderen, als sie aus dem Turm heraustrat.
    Diese Blicke!
    Beim Abgrund, sie wussten es alle!
     
     
    Geld macht nicht glücklich, außer man ist gierig
     
     
    Sie sa ß seit geraumer Zeit an ihrem Schreibtisch. Irmfi, eine von den Capitalprotektoren, hatte sich um sie bemüht. Bamulaus kam von Zeit zu Zeit herein und fragte, ob sie etwas benötigte. Valenuru saß gegenüber und stellte gelegentlich eine besorgte Nachfrage.
    Dadalore sprach mit keinem von ihnen. Was hätte sie auch sagen sollen? Was sie getan hatte, war so schrecklich, dass es keine Worte dafür gab. Und keine Vergebung. Wenn sie nur ein Wort verlauten ließe, würde all die zur Schau gestellte Fürsorge ihrer Kollegen sofort in Verachtung umschlagen. Sie müssten sie verhaften. Augenblicklich.
    Nicht dass ihr das noch irgendetwas ausgemacht hätte. Die Arretierung jedenfalls konnte sie nicht mehr schrecken. In ein paar Stunden würde ohnehin Ghalikans Ultimatum ablaufen und die Dinge eben ihren Gang nehmen. Sie hatte von Anfang an gewusst, dass sie für dieses Amt nicht geschaffen war. Hätte Heidugun doch nur auf sie gehört. Rafikifred könnte noch leben. Ihr wäre so viel Leid erspart geblieben. Sie hätte einfach nie dieses Amt ausüben dürfen. Die Götter mussten sich getäuscht haben, das Los hatte gelogen. Es war nur noch eine Frage der Zeit, bis es auch der Letzte begriffen hatte, und dann würde die Verachtung über ihr zusammenschlagen.
    »Jetzt habe ich aber genug von Eurer Schwermut!« Valenuru kam leichtfüßig auf sie zu. Er beugte sich zu ihr hinunter. Seine Augen waren so klar, als ob nie ein Schatten auf seinem Gemüt gelegen hätte. Manchen gegenüber zeigten sich die Götter wohl großzügiger als bei ihr.
    »Hört Ihr überhaupt, was ich sage?«
    Er sollte wieder weggehen. Sie wollte allein sein mit ihrem Schmerz. Er war das einzige, was ihr noch blieb.
    »Das wollen wir doch erst einmal sehen, ob man Euch nicht wieder lächeln machen kann.« Er öffnete ihre Finger und legte etwas hinein. Es war eine Tonkugel.
    »Seht Ihr, gleich wird es Euch besser gehen.« Er zog ihr den Daumen weg, so dass die Kugel herunter rutschte und auf dem Boden zerschellte. Der blaue Nebel fand von ganz allein den Weg in ihre Nase. Und plötzlich durchfuhr ein Zucken sie und sie begann hemmungslos zu schluchzen. Valenuru strich ihr über den Kopf, wie man ein kleines Kind tröstet. Eine ganze Weile lang war er einfach nur da. Sie sah ihn kaum noch, weil ihr Blick vom Weinen ganz verschwommen war. Aber sie spürte, dass er bei ihr war. Und von der Hand auf ihrem Haar ging ein unsichtbarer Halt aus, als ob sie inmitten eines reißenden Flusses an einem Felsen hängen geblieben wäre. Er schien direkt in ihre Seele zu fassen und die Risse darin glätteten sich wie Lehm unter seinen Fingern.
    Irgendwann, als sie ruhiger wurde, strich er ihr mit dem Handrücken die letzten Tränen von der Wange. »Vielleicht wollt Ihr mir jetzt erzählen, was sich dort oben zugetragen hat?«
    Dadalore zog die Nase hoch. »Was habt Ihr mir gegeben?« Sie deutete auf die Überreste des Lakaien-Behältnisses.
    »Einen Brüllaffen.«
    »Ihr habt mir was gegeben?«
    Valenuru fixierte einen Punkt neben ihr. »Es hat gewirkt, oder? Im Übrigen lenkt Ihr vom Thema ab. Ihr wolltet gerade berichten, was Euch im Turm Schlimmes widerfahren ist.«
    Dadalore fühlte, wie ihr Mund trocken wurde. »Das kann ich nicht. Bitte, das kann ich nicht.«

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