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Der Nachtschwärmer

Der Nachtschwärmer

Titel: Der Nachtschwärmer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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konzentrierte sich auf die dunklen Stellen im Raum. Es mochte daran liegen, dass ihre empfindlichen Sinne noch immer den ungewöhnlichen Geruch wahrnahmen. Den sie mitgebracht zu haben schien, weil er sich in ihrer Kleidung festgesetzt hatte.
    HUSCH!
    Wieder hörte sie das Geräusch, zuckte zusammen und duckte sich im Bett sitzend. Jetzt wusste sie, dass sie sich beim ersten Mal nicht getäuscht hatte. Sie hatte auch nicht geträumt. Der Nachtschwärmer war wieder unterwegs.
    Das halb blinde Mädchen saß in seinem Bett und bewegte sich nicht. Lorna schien eingefroren zu sein, und sie konnte ihren Blick nicht vom Fenster lösen.
    Seine Umrisse sah sie nicht deutlich. Sie ahnte nur, wo es sich befand, und sie erkannte auch nicht, ob sich hinter der Scheibe etwas flatternd bewegte.
    Die Angst war wieder da. Zusammen mit dem Wissen, sich in einer schrecklichen Gefahr zu befinden. Warum sollte der Nachtschwärmer gerade auf sie Rücksicht nehmen? Auf eine Zeugin, die ihn gesehen hatte und deshalb auch beschreiben konnte.
    Er würde kommen. Er war vielleicht schon da. Sie hatte ihn gehört. Und warum hatte sie ihn gehört?
    Plötzlich interessierte sie nur diese eine Frage. Es musste dafür einen Grund geben. Die Mauern waren dick. Sie ließen normalerweise keinen Laut durch. Es sei denn, das Fenster war nicht geschlossen. Aber das konnte nicht sein – oder?
    Ihre Gedanken konzentrierten sich auf das Fenster. Und während sie noch darüber nachdachte, passierte es. Zuerst hörte sie ein Kratzen. Wenig später ein leicht knirschendes Geräusch, als würde Holz allmählich brechen. Das Fenster reagierte so am Rahmen, wenn es aufgestoßen wurde.
    Das war hier der Fall.
    Jemand musste es von außen geöffnet haben. Und dieser Gedanke war kaum in ihr hochgeschnellt, als sie den kühlen Luftzug im Gesicht spürte, der durch das Fenster wehte.
    »Nein«, flüsterte Lorna, »nein, bitte nicht. Das kann doch nicht wahr sein...«
    Hätte sie weitergesprochen, so hätte ihr das böse Fauchen die nächsten Worte sicherlich von den Lippen gerissen. So aber hielt sie den Atem an und war eine Gefangene ihrer eigenen Angst. Sie konnte nicht mal schreien und sich natürlich auch nicht bewegen. Das Unheil war da und es würde in den folgenden Sekunden immer näher an sie herankommen, das stand für sie fest.
    Sie bekam keine Luft mehr. Die Angst war wie eine Fessel. Sie sah vor sich die Bewegung nur schattenhaft, aber sie wusste genau, dass jemand dabei war, durch ihr Fenster in das Zimmer zu klettern, um an sie heranzukommen.
    Auch wenn sie eine normale Sehkraft besessen hätte, so hätte sie sich gegen den Eindringling nicht wehren können. Das war kein Mensch, das war der verfluchte Nachtschwärmer, der schon mehrere Frauen aus der Umgebung geholt hatte.
    Vielleicht war es ein Glück, dass sie ihn nicht genau sah. Dafür nahm sie seinen Geruch wahr.
    Stärker als je zuvor wehte ihr die Mischung aus Fäulnis und Verwesung entgegen. Der Gestank erinnerte sie an den Tod, und er war so intensiv, dass er ihr beinahe den Atem raubte.
    Auch ein Zeichen, dass der Eindringling nicht mehr am Fenster geblieben war und jetzt näher kam.
    Vor ihr bewegte sich etwas in der Dunkelheit. Genaues sah sie nicht. Es war ein unheimliches Wesen, eine Botschaft aus der Finsternis der Hölle, und es würde das eintreten, was ihre Albträume zur furchtbaren Wahrheit werden ließ.
    Sie bewegte sich nicht mehr. Sie hatte sich in ihr Schicksal ergeben. Lorna schaffte auch keinen Schrei. Es war alles anders bei ihr geworden. Sie fühlte sich nicht mehr als Mensch, sondern einfach nur noch als Gegenstand, den man abholte, und damit hatte es sich dann. Aus dem namenlosen Grauen war in ihrem Fall ein Name geworden, und der hieß der Nachtschwärmer.
    Er griff zu!
    Es war für Lorna nicht mal überraschend, als sie seine Pranken mit den Krallen spürte. Von ihr ging dieser widerliche Geruch ab, und sie sah jetzt sein Gesicht aus der Nähe. Das heißt, sie erkannte keine Einzelheiten, aber es stand fest, dass diese fliegende Bestie kein menschliches Gesicht besaß. Es war mehr eine Schnauze oder eine Fratze, und was so hell in deren Mitte schimmerte, das mussten einfach die Zähne in dem aufgerissenen Maul sein.
    Die Krallen hatten sich in ihre Schulter gebohrt. Der Schmerz ließ sich ertragen. Sie dachte auch nicht länger darüber nach, denn es erwischte sie der Ruck, der sie vom Bett her in die Höhe zog.
    War es ein Fauchen oder ein Flüstern, das sie erreichte?

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