Der Nachtzirkus
brennen bunt zusammengewürfelte Kerzen fröhlich vor sich hin und beleuchten die schlafenden Tauben in ihren Käfigen, die zwischen wehenden Vorhängen mit farbenprächtigen Mustern hängen. Ein lauschiger Zufluchtsort, angenehm und ruhig.
Das Klopfen an der Tür überrascht sie.
»Hast du etwa vor, den ganzen Abend so zu verbringen?«, fragt Tsukiko mit Blick auf das Buch in Celias Hand.
»Vermutlich bist du hier, um mir eine Alternative vorzuschlagen«, sagt Celia. Die Schlangenfrau kommt nicht oft vorbei, nur um sie zu besuchen.
»Ich bin verabredet und dachte mir, du möchtest mich vielleicht begleiten«, sagt Tsukiko. »Du bist zu oft allein.«
Celia will widersprechen, aber Tsukiko lässt nicht locker und holt eines der schönsten Abendkleider aus Celias Schrank, eines der wenigen in Farbe: dunkelblauer, mit hellem Gold verzierter Samt.
»Wohin gehen wir?«, fragt Celia, aber Tsukiko will es nicht verraten. Fürs Theater oder eine Ballettvorstellung ist es schon zu spät.
Celia lacht, als sie la maison Lefèvre erreichen.
»Das hättest du mir ruhig sagen können«, meint sie zu Tsukiko.
»Dann wäre es keine Überraschung gewesen«, entgegnet Tsukiko.
Celia war erst bei einer Feier im Lefèvre’schen Haus gewesen, ein Empfang vor der Zirkuseröffnung und weniger ein Mitternachtsdinner. Doch trotz der seltenen Besuche zwischen ihrer Zauberprobe und der Eröffnung hat sie das Gefühl, als kenne sie schon alle Gäste.
Ihre Ankunft mit Tsukiko überrascht den Rest der Gesellschaft, und bevor sie sich bei Chandresh für ihr unangekündigtes Erscheinen entschuldigen kann, begrüßt er sie herzlich und schiebt sie mit einem Glas Champagner in der Hand in den Salon.
»Lass noch ein weiteres Gedeck auflegen«, sagt Chandresh zu Marco, dann führt er sie auf eine schnelle Vorstellungsrunde durch den Raum, um sicherzustellen, dass sie auch wirklich jeden kennt. Celia findet es merkwürdig, dass er sich anscheinend nicht erinnert.
Mme. Padva ist liebenswürdig wie immer, ihr Abendkleid schimmert in einem herbstlich warmen Kupferton im Kerzenlicht. Die Burgess-Schwestern und Mr Barris haben sich offenbar schon darüber lustig gemacht, dass sie alle drei verschiedene Blautöne tragen, eine ungeplante Banalität – jedenfalls wird Celias Kleid als Beweis dafür herangezogen, dass Blau schlichtweg in Mode ist.
Ein weiterer Gast wird erwähnt, der vielleicht kommt oder auch nicht, aber Celia versteht seinen Namen nicht.
Sie fühlt sich leicht deplatziert in dieser Gruppe von Menschen, die sich schon so lange kennen. Tsukiko achtet sehr darauf, sie in die Unterhaltung einzubeziehen, und Mr Barris schenkt jedem ihrer Worte so große Aufmerksamkeit, dass Lainie ihn schon damit aufzieht.
Obwohl Celia und Mr Barris sich bereits mehrmals getroffen und oft korrespondiert haben, gibt er erfolgreich vor, dass sie nur Bekannte sind.
»Sie hätten Schauspieler werden sollen«, flüstert sie ihm zu, als sie sicher ist, dass niemand mithört.
»Ich weiß«, erwidert er mit aufrichtigem Bedauern. »Es ist zum Heulen, dass ich meine wahre Bestimmung verfehlt habe.«
Celia, die sich zum ersten Mal länger mit den Burgess-Schwestern unterhält – Lainie ist etwas gesprächiger als Tara –, erfährt heute Abend genauer, in welcher Form die beiden zum Zirkus beigetragen haben. Während Mme. Padvas Kostüme und Mr Barris’ technische Erfindungen auf der Hand liegen, ist das Werk der Burgess-Schwestern etwas subtiler, auch wenn sich überall im Zirkus Spuren davon finden.
Die Musik, die Gerüche, das einzigartige Licht. Selbst das Gewicht der Samtvorhänge am Eingang. Sie haben dafür gesorgt, dass alles wie selbstverständlich wirkt.
»Wir sprechen gern alle Sinne an«, sagt Lainie.
»Manche mehr als andere«, fügt Tara hinzu.
»Stimmt«, bestätigt ihre Schwester. »Düfte werden oft unterschätzt, dabei können sie starke Empfindungen auslösen.«
»Sie verstehen es hervorragend, Atmosphäre zu schaffen«, bemerkt Chandresh zu Celia, als er sich zu ihnen gesellt und ihr leeres Champagnerglas durch ein frisch gefülltes ersetzt. »Alle beide, absolut hervorragend.«
»Die Kunst besteht darin, allem einen beiläufigen Anstrich zu verleihen«, flüstert Lainie. »Dem Künstlichen eine natürliche Note zu geben.«
»Die einzelnen Elemente miteinander zu verbinden«, ergänzt Tara.
Celia gewinnt den Eindruck, dass die beiden der anwesenden Gruppe einen ähnlichen Dienst erweisen. Sie bezweifelt, dass die
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