Der Nächste, bitte! 13 Morde fürs Wartezimmer
ihrem Gesicht, das unter Wasser noch schöner, noch glatter, noch reizvoller auf ihn wirkte, abzuwenden.
Erst als das Telefon läutete und Danas helle Samtpfötchenstimme vom Anrufbeantworter verkündete, dass sie zurzeit nicht erreichbar sei, realisierte er, dass es vorbei war. „Hinterlass mir einfach eine Nachricht!“
Seine Nachricht an sie war angekommen. Er wandte sich ab und ging.
„Der Nächste, bitte!“
Schwester Lona riss sich zusammen. Das Leben ging weiter, und um leben zu können, musste sie arbeiten. Auch, wenn die Geschichte, die sie gerade erst erlebt hatte, ihr ordentlich unter die Haut gegangen war…
Eiskalt
Ihr Blick fiel auf die Tachonadel, die zwischen 80 und 90 km/h zitterte. Das war schon eine beachtliche Leistung für ihren alten 45 PS Fiesta. Aber es würde nicht reichen. Vom Beifahrersitz meldete sich mit leiser Melodie das Handy. Sie nahm es in die Hand, sah auf das Display: Lona rief an. Aber das war jetzt egal, für die Freundin hatte sie alles aufgeschrieben, was wichtig war, also warf sie das Telefon wieder zurück auf den Sitz. Den Blick wieder nach vorne auf die nasse Straße gerichtet, schätzte sie ab, dass es noch knapp drei Kilometer zu fahren waren, sie hatte also noch ausreichend Zeit zu beschleunigen. Lange hatte sie diesen Tag geplant, hatte die gesamte Gegend nach der geeigneten Stelle abgesucht, hatte damit ihren Entschluss Tag für Tag gestärkt. Jetzt, wo es soweit war, fühlte sie fast so etwas wie Vorfreude. Die anfängliche Angst wich der Gewissheit, das Richtige zu tun. Sie drehte sich um, kurz ruhte ihr Blick in der Babyschale, die auf dem Rücksitz angeschnallt war. „Bald, meine Kleine, bald ist die Mami wieder bei dir.“
Sie hatte gewusst, dass er es nicht wollen würde, hatte es heimlich ausgetragen und geboren, hatte gehofft, er würde es akzeptieren, wenn er es erst einmal sah.
Doch es war anders gekommen.
Jetzt sah sie die lang gezogene Biegung durch das dichte Nebelgrau auf sich zukommen. Dahinter verbarg sich ihr Ziel, sie brauchte an dieser Stelle nur geradeaus zu lenken, statt die Kurve zu nehmen, dann würde sie die dicke Eiche genau treffen.
Ihre Anspannung wuchs. Sie schluckte hart. Dann zog sie sich fest entschlossen die Brille vom Gesicht, warf sie auf den Beifahrersitz. Sie war kurzsichtig, das nahende Ziel verschwamm ihr nun vor den Augen, aber sie hatte es dennoch scharf im Visier, hielt krampfhaft darauf zu.
Schizophren, dass sie Glassplitter in den Augen fürchtete, angesichts der Gedanken an den nahenden Tod.
Sie drückte das Gaspedal jetzt ganz durch, verkrampfte die Hände um das Lenkrad. Erst Bruchteile von Sekunden vor dem unbarmherzigen Knall schloss sie die Augen, spürte noch den dumpfen Aufprall, und obwohl es das Lauteste war, was sie je gehört hatte, vernahm sie es wie in ganz weiter Entfernung.
Und dann war es still. Totenstill.
***
„Sag mal, Robert, kannst du dir vorstellen, dass Carina das mit Absicht getan haben könnte?“ Ihm diese Frage zu stellen kostete Lona eine Menge Mut.
„Was getan?“ Langsam aber mit Nachdruck hakte er nach.
„Na, der Unfall. Dass es vielleicht gar kein Unfall war?“ Durchdringend sah Lona dem frischverwitweten Robert in die Augen und versuchte darin zu lesen, versuchte zu erkennen, ob das, was sie hier vorhatte, nicht vielleicht völlig irrsinnig war. Er hielt ihrem Blick stand, sie konnte keine Regung erkennen.
„Ich möchte wissen, warum du mich das fragst, Lona.“, sagte er nach einer Weile ruhig. „Unsere Ehe war glücklich, warum sollte Carina sich… sich umbringen?“
Nun war es Lona, die zuerst den Blick senkte. Traute sie ihm wirklich zu, was sie gerade versuchte herauszufinden? Sie schüttelte kaum merklich den Kopf, sah zu Boden. „Es war nur so ein Gedanke.“ Was sie ihm nicht sagte, war, dass dieser Gedanke seine berechtigten Gründe hatte, dass Carina vor ihrem Tod noch einen Brief geschrieben und ihr darin Erschütterndes mitgeteilt hatte. So erschütternd und unwahrscheinlich, dass Lona sich nicht sicher war, wie weit Carina überhaupt noch zurechnungsfähig gewesen sein mochte. Und genau aus dem Grund war sie nun hier bei Robert. Sie wollte, nein, sie musste es herausfinden.
Lona hatte Robert am Nachmittag angerufen, es waren erst drei Tage nach Carinas Tod vergangen, hatte ihm vorgeschlagen, gemeinsam etwas essen zu gehen und zu reden.
Lona musste sich Gewissheit verschaffen, ansonsten konnte sie nicht zu Polizei gehen. Deshalb war sie
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