Der Naechste bitte!
sagte er. »Aber alle sind hypernervös. Weil die Moral inzwischen total im Eimer ist, schickt uns das Management auf ein eintägiges Seminar mit dem wunderschönen Namen »Bewusstsein«. Dafür, dass wir einen Urlaubstag für den Müll opfern, bekommen wir fünfzig Dollar als Entschädigung und werden in ein Camp geflogen, wo uns sechs Stunden lang Höchstspaß in Form von Moralpredigten, Motivationsvideos und gefühlsduseligen Ansprachen erwartet. Gekrönt wird das Ganze von einer Frage- und Antwortrunde. Wenn du mich fragst, ist das nur wieder ein verzweifelter Versuch, das niedere Fußvolk zu beruhigen, ehe sie die Hunde auf uns hetzen. Übrigens, jeder, der nicht im Businesslook erscheint, bekommt sofort die Papiere.« Er stieß ein höhnisches Lachen aus.
Ich fiel ein. Wir lachten immer, wenn wir über Atlas und diese dümmlichen Veranstaltungen herzogen. Aber diesmal, da ich dabei auf einer Holzbank saß und sich vor mir das glitzernde Meer erstreckte, hatte ich das Gefühl, der ganze Firlefanz sei Lichtjahre entfernt. Als hätte ich mit alldem nichts zu tun. Es war ein wundervolles Gefühl.
»Wann kommst du eigentlich zurück?«, wollte Clay wissen. »Alle vermissen dich, allerdings niemand so sehr wie ich.«
»Ich vermisse dich auch. Es dauert nicht mehr lange, versprochen«, antwortete ich, legte auf und fragte mich, ob das wirklich stimmte.
Passagiere sind unerträglich, wenn sie:
betrunken oder berauscht sind,
noch im Brutkasten liegen,
ein flegel- und rüpelhaftes Verhalten zeigen,
unangenehme Körpergerüche absondern,
einen nackten Oberkörper haben
32
Samstagabend kochte ich für Adonis. Da sich mein Repertoire bislang auf Tütensuppen, verbrannten Reis, Bohnen aus der Dose und hin und wieder ein fades Omelett beschränkt hatte, lieh ich mir Chloes englischsprachiges Kochbuch der griechischen Küche aus. Wenn ich mich strikt an die Rezeptvorlage hielt, so dachte ich, konnte nicht allzu viel schiefgehen.
Ich war inzwischen seit drei Wochen auf Mykonos, arbeitete fleißig an meinem Tagebuch, schrieb Clay E-Mails und hatte schon so oft s’agapo gesagt, dass ich fast selbst daran glaubte. Mit jedem Tag fühlte ich mich in meiner Haut wohler. Genau deshalb hatte ich auch beschlossen, das Angebot von Adonis anzunehmen.
Außerdem hatte ich mir bereits einen unfehlbaren Plan zurechtgelegt. Entweder ließ ich sämtliche Flüge sausen und nahm umgehend meinen Jahresurlaub, oder, wenn das nicht klappte, pendelte ich nach New York, absolvierte meine Stunden und kehrte nach Mykonos zurück, sobald es ging. Was durchschnittlichen Menschen mit geregelten Arbeitszeiten ziemlich verrückt erscheinen musste, war in der Welt der Flugbegleiter völlig normal.
Davon abgesehen, hatte ich es in sechs Jahren New York City nicht geschafft, mein Leben auf eigene Füße zu stellen. Was sprach also dagegen, es hier zu versuchen? Auch wenn meine einzigen literarischen Ergüsse die Einträge im Reisetagebuch waren, war ich doch überzeugt davon, dass das Schreiben, sobald ich eine neue Routine entwickelt hatte, wieder ein fester Bestandteil meines Lebens werden würde. Die wahnwitzige Idee, einen Verleger zu finden, hatte ich längst abgehakt. Anscheinend fehlte mir das gewisse Etwas, ohne dass man in der Verlagswelt nicht Fuß fasste, und ich weigerte mich noch immer, den Roman umzuschreiben. Es kam gar nicht in Frage, dass ich meine Geschichte änderte, nur damit sie in den begrenzten und zensierten Horizont dieser seltsamen Lektorin vom Glücks-Verlag passte. Da ich jetzt nicht mehr mit der Hoffnung im Herzen vor dem PC saß, einen Verleger zu finden, konnte ich schreiben über wen oder was ich wollte.
Adonis wusste von meinen Pendelplänen noch nichts. Ich wollte ihm die guten Neuigkeiten bei einer ganz besonderen Gelegenheit unterbreiten und hatte mich deshalb entschlossen, für ihn zu kochen.
Glücklicherweise war Irene längst wieder auf dem Festland. Da Adonis tagsüber arbeitete, lieh ich mir seine Vespa aus und fuhr zum Markt, um die nötigen Zutaten einzukaufen. Die ganze Zeit stellte ich mir vor, wie ich mit einer schneeweißen Schürze, streng zurückgekämmtem Haar und leicht gerötetem Gesicht in der Küche stand und voller Hingabe sein Lieblingsgericht zauberte. Wie schwer konnte es schon sein, ein Abendessen zu servieren, das aus tzatziki, pita, hauchfein geschnittenem grünem Salat, einer Käse- und Zwiebelquiche, geschmorter Lammkeule mit Kartoffeln und baklawa als Nachtisch
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