Der Naechste bitte!
Menge geschehen. Ich saß nicht mehr neben ihm, sondern neben Clay. Meinem besten Freund, der mich unter dem Tisch kniff. Fest kniff.
»Aua«, raunte ich und schlug ihm auf die Hand, ehe er sie wegziehen konnte. Entschuldige bitte, dass ich einen Moment lang Schwäche gezeigt habe. Ich schüttelte den Kopf und schlug die Speisekarte auf.
»Prima, lern meinetwegen die Speisekarte auswendig, aber hör endlich auf, Michael mit Blicken zu durchbohren«, zischte er zurück. »Er könnte dich sonst missverstehen und glauben, du willst noch etwas von ihm.«
Ich klappte die Speisekarte wieder zu und las mir die Rückseite durch.
»Du willst doch nichts mehr von ihm, oder?«, fragte Clay, dessen Augen sich besorgt weiteten.
»Ich bitte dich. Den würde ich nicht mal mehr mit der Kneifzange anfassen«, sagte ich und hob den Blick, als Michael ungefragt vier Flaschen Wein bestellte. Mein Gott, ich dachte immer, er wäre ein guter Gastgeber, aber jetzt wird mir klar, dass er in erster Linie ein Kontrollfreak ist. »Entschuldigung«, sagte ich und erwischte gerade noch den Kellner. »Für mich bitte keinen Wein. Ich hätte gerne einen Mojito.« Ich warf einen hastigen Blick zu Michael hinüber. Die Zeiten, in denen du meine Getränke bestellst, sind v-o-r-b-e-i, dachte ich im Stillen.
»Für mich bitte auch«, sagte Clay aus Solidarität.
Ich lächelte ihn an. Abgesehen von dem Beagle, den ich als Kind hatte, war Clay mit Abstand der loyalste und liebenswürdigste Langzeitfreund in meinem Leben.
»Könnten Sie mir bitte noch sagen, wo die Toiletten sind?«, fragte ich, angelte meine Handtasche und stand auf.
Just als ich mich in Bewegung setzen wollte, hörte ich eine Stimme sagen: »Warten Sie, ich komme mit.«
Ich drehte mich um und sah, wie Michaels neue Flamme mit einem zuckersüßen Lächeln aufstand.
7
Tut es sehr weh?«
Wir standen an eine kunstvoll blau-weiß gekachelte Wand im Vorraum der Damentoilette gelehnt und warteten darauf, dass wir an der Reihe waren. Ob es weh tut, sie und Michael zusammen zu sehen? Ob ich so dringend auf Toilette muss, dass es weh tut? Sie musterte mich erwartungsvoll, aber ich hatte keinen blassen Schimmer, was sie von mir wollte.
»Ihr Gesicht«, sagte sie schließlich und deutete mit zwei Fingern auf meine Stirn, als würde sie gerade erläutern, wo sich die Notausgänge befanden. »Es ist puterrot und nur in der Mitte weiß.«
Gott, für wenige, wundervolle Augenblicke hatte ich das Desaster mit meinem Koala-Antlitz erfolgreich verdrängt. Ich lehnte mich nach vorne, um einen Blick in den Spiegel zu werfen und meinen Zustand zu überprüfen. O ja, Stirn, Nase, Kinn und Wangen hatten ein ausdrucksstarkes Burgunderrot angenommen, während die Partie um meine haselnussbraunen Augen in dem üblichen hellen Teint erstrahlte – mal abgesehen von den Passagen, die Clay dick mit Eyeliner übermalt hatte. Ich beugte mich noch ein Stück weiter nach vorne und strich mir mit dem Finger über die Wange. Sie fühlte sich heiß an. Ich sah aus wie das Negativ eines Fotos von einem Waschbären.
»Gehen Sie ruhig«, sagte ich und zeigte auf die Kabine, die soeben frei wurde. Obwohl ich mich kaum noch beherrschen konnte, hegte ich die Hoffnung, dass sie, wenn ich sie vorließ, vor mir an den Tisch zurückkehrte. Dann hätte ich ein paar Minuten für mich alleine, ehe ich mich wieder unters Volk mischen musste.
Als ich fertig war, stand sie genau da, wo wir unser Gespräch unterbrochen hatten, und wartete auf mich. »Wie lange sind Sie schon in New York stationiert?«, erkundigte ich mich, während ich den Seifenspender betätigte, bis sich meine Hand mit der cremigen rosa Flüssigseife füllte, wobei ich es tunlichst vermied, in den Spiegel zu blicken.
»Oh, das bin ich gar nicht. Dallas ist mein Heimatflughafen. Die Route habe ich mir nur zuteilen lassen, weil ich morgen eigentlich ein Casting in Manhattan hätte. Aber wie es aussieht, muss ich es wohl oder übel sausen lassen«, sagte sie mit einem Lächeln und einem Schulterzucken, als wäre das nicht weiter tragisch. Jetzt, da sie ihren Traummann getroffen hatte, musste sie sich schließlich nicht länger um lästige Rechnungen kümmern oder verzweifelt dem Ruhm hinterherjagen.
»Was für ein Casting denn?«, erkundigte ich mich so beiläufig wie möglich und beobachtete im Spiegel, wie sie ihre Fingernägel inspizierte. Sie war groß, schlank, blond, hatte blaue Augen, eine zierliche Nase und perfekte Zähne – das
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