Der Naechste bitte!
qualifizierte sie eindeutig fürs Reality-TV. Sie war hübsch und freundlich, der übliche Durchschnitt eben. Auf ihren Typ standen die Fernsehmacher. Trotzdem kam sie mir irgendwie bekannt vor. Das mochte an ihrer Allerweltsschönheit liegen oder an der Tatsache, dass ich Tausende von Menschen in den letzten sechs Jahren begrüßt und verabschiedet hatte.
»Ich sollte für eine Rolle in Law & Order vorsprechen«, sagte sie. »Es wäre mein zweiter Auftritt in der Serie.«
Law & Order? Ich liebte diese Serie. »In welcher Episode waren Sie zu sehen?«, fragte ich beiläufig, entlockte dem Spender drei kratzige Papiertücher und rieb mir die Hände trocken.
»In Trial by Jury.« Sie zuckte mit den Schultern.
Der einzige Ableger der Serie, den ich nicht mag. Nicht sonderlich überraschend.
»Dann sind Sie also Schauspielerin?«, fragte ich und dachte darüber nach, wie alt sie wohl sein mochte. Ebenso darüber, wie lange Michael wohl schon auf der Suche nach einer jüngeren und besser aussehenden Partnerin gewesen war.
»Ich habe bisher den einen oder anderen Werbespot gedreht, Shootings für Anzeigen gemacht und in Off-Broadway-Stücken mitgespielt. Wahrscheinlich kennen Sie mich vom Sicherheitsvideo«, sagte sie, zog die Kappe von ihrem Lipgloss mit Fruchtgeschmack und trug ihn auf.
Ich beobachtete, wie sie ihn wieder in ihrer Tasche verstaute, sich mit den Händen durch die Haarpracht fuhr, die im Licht der Neonleuchte glänzte. Genau wie in den Werbespots für Pantene. Sie ist die Flugbegleiterin aus unserem Sicherheitsvideo? Das Video, das ich seit dem ersten Tag meiner Karriere ignoriere? Dasselbe Video, das Passagiere schon mit »Mann, ist die scharf« kommentiert haben, gefolgt von anzüglichen Kommentaren, wenn sie demonstriert, wie die Rettungswesten aufgeblasen werden.
Das war sie? Und jetzt ging sie mit Michael aus?
»Ich sag’s nur ungern, aber auf Ihrer Unterlippe bilden sich kleine Bläschen«, sagte sie, zeigte wieder mit zwei Fingern auf meinen Mund und warf mir einen mütterlichen Blick zu.
Sie konnte sich auf den Kopf stellen, ich würde nie und nimmer in den Spiegel sehen, damit ich mir eingestehen musste, dass sie recht hatte. Schlimm genug, dass ich den Sonnenbrand des Jahrhunderts hatte, wie ein Hefekuchen in die Breite gegangen war, mit niemandem ausging und mein Haar dem Ganzen noch die Krone aufsetzte, während Michael mit der Frau anbändelte, die so gut wie allen männlichen Passagieren feuchte Träume bescherte. Jetzt hatte ich auch noch Herpes. Mir blieb aber auch nichts erspart.
»Bevor ich’s vergesse, ich heiße übrigens Aimee. Und Sie?«, wollte sie wissen und verließ vor mir die Damentoilette.
Ich folgte dem Kindergröße-Püppchen und musterte ihre hübschen Sandalen mit Keilabsatz, ihr Sommerkleid von Juicy Couture und ihre blonde Mähne, während ich mir wie ein Bauerntrampel aus dem Mittleren Westen vorkam. Da ich nichts mit den Geschichten zu tun haben wollte, die Michael sicher eines Tages über seine »gestörte« Exfreundin erzählen würde, log ich. »Ich heiße Monica.«
Sobald Michael sah, dass wir zurückkehrten, sprang er auf, zog Aimees Stuhl zurück und blieb stehen, bis wir beide wieder Platz genommen hatten.
O Mann. Ich kann mich noch gut daran erinnern, dass er sich am Anfang unserer Beziehung genauso ins Zeug gelegt hat. Das hört noch früh genug auf, dachte ich und verfolgte, wie er seinen Arm um Aimees schmale und makellos braune Schultern legte.
»Ich wollte schon einen Suchtrupp losschicken«, sagte er und blickte mit einem sparsamen Lächeln von ihr zu mir. Pilotenhumor. Ich täuschte ein Gähnen vor.
»Oh, Monica und ich haben uns nur ein wenig unterhalten«, schnurrte sie, lehnte sich an ihn und rieb ihm mit denselben beiden Fingern über den Unterarm, mit denen sie auch auf Sonnenbrände, Herpesbläschen, Sauerstoffmasken und Notausgänge zeigte. Es war, als wären Zeige- und Mittelfinger zusammengewachsen.
»Monica? Wer ist Monica?«, fragte Michael sichtlich verwirrt. Sein Blick rotierte zwischen Aimee und mir.
Verflixt. Vielleicht war die Idee mit dem Pseudonym doch nicht so brillant. Aimee warf mir einen fragenden Blick zu. Just als sie die Zwillingsfinger heben und auf mich deuten wollte, trat der Kellner an unseren Tisch, um die Bestellungen entgegenzunehmen.
Wir waren fast mit dem Nachtisch fertig, als Bob von der Herrentoilette zurückkehrte und verkündete: »Der Orkan hat den westlichen Teil der Florida Keys
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