Der Naechste bitte!
Augen auszukratzen, machten sie kleine Buckel, senkten den Kopf und strichen mir miauend um die Beine, was eher eine Begrüßung als Vorwürfe bedeutete. Als eingefleischte Hundeliebhaberin fand ich die Vorstellung ziemlich beeindruckend. Erleichtert darüber, dass ihnen nichts außer Streicheleinheiten und Futter fehlte, füllte ich ihre Edelnäpfe, setzte mich neben sie auf den Boden und heulte Rotz und Wasser, während sie sich die Bäuche vollschlugen.
Als um sieben Uhr der Wecker ging, war ich längst wach. Ich hatte die letzte halbe Stunde damit verbracht, mir meine juckenden und tränenden Augen zu reiben und eine Niesattacke nach der anderen über mich ergehen zu lassen. Mein schlechtes Gewissen war so immens gewesen, dass ich das flauschige Trio bei mir im Bett hatte nächtigen lassen.
Ich streckte den Arm aus, brachte den Wecker zum Schweigen und schlurfte in die Küche, auf der Suche nach Kaffee, einem Blatt Papier und einem Stift. Die schrecklichen Ereignisse des Vortags waren mir noch lebhaft in Erinnerung, und ich wusste, dass ich mich früher oder später damit auseinandersetzen musste. Irgendwann, das war mir klar, würde ich mich Lawrence und seinem Vieraugengespräch stellen müssen. Aber heute hatte ich frei und war wild entschlossen, den Tag für wichtigere Dinge zu nutzen. Ich wollte das Versprechen einlösen, das ich mir selbst in Puerto Rico abgerungen hatte: nach meiner Rückkehr ein neues Leben zu beginnen. Am besten ging man so etwas an, indem man eine Liste erstellte. Das war eine Grundvoraussetzung, um mich nicht vom Kurs abbringen zu lassen. Ich schnappte mir also einen Notizblock aus einem Hotel in Barcelona und einen Kugelschreiber aus einem Dubliner Pub und fing an zu schreiben:
Dinge, die ich heute erledigen muss:
1. Sachen bei Michael abholen,
2. Appartement finden, in das ich die Sachen stellen kann.
Da ich mich in New York befand, wusste ich, dass die Umsetzung von Punkt zwei alles andere als einfach werden würde. Leute mit weitaus dickeren Bankkonten und besseren Beziehungen als ich benötigten manchmal mehrere Monate, um ein adäquates Domizil zu finden. In meinem speziellen Fall war mein Beruf als Saftschubse durchaus von Vorteil. Da unsereins oft tagelang von zu Hause fort war, teilten sich nicht wenige von uns die kleinsten Buden – Wohnungs-Sharing sozusagen. Es stimmte mich zuversichtlich, dass irgendwo auf dieser zweiundzwanzig Quadratmeilen großen Insel ein freies Etagenbett auf mich wartete. So wunderbar es auch war, in einem Penthouse in der Fifth Avenue zu wohnen, ich musste hier raus, alleine schon wegen der herumwirbelnden Katzenhaare. Davon abgesehen war es höchste Zeit, mein Leben wieder selbst in die Hand zu nehmen, auch wenn das bedeutete, dass ich ab sofort Miete zahlen musste.
Nachdem ich Kaffee aufgesetzt und die Miniaturraubtiere gefüttert hatte, schaltete ich meinen Laptop an und loggte mich im Mitarbeiterbereich der Atlas-Homepage ein. Hier fand man alles, angefangen bei Routen, die zum Tausch angeboten wurden, bis hin zu gebrauchten Uniformen und der Rubrik »Mitbewohner/-in gesucht«. Da die Mehrheit der in New York beheimateten Flugbegleiter und Piloten Pendler waren, die einflogen, um zu arbeiten, und sich auf den Nachhauseweg machten, sobald ihre Schicht beendet war, gab es eine lange Liste mit Angeboten in Kew Gardens (wegen seiner Flughafennähe und der überbelegten Appartements auch gerne Crew Gardens genannt). Die meisten Angebote vermittelten den Eindruck, als teilten sich im Durchschnitt zwanzig Leute eine Zweizimmerwohnung, frei nach dem Motto »wer zuerst kommt, schläft zuerst«. Da ich erst seit kurzem wieder auf dem Singlemarkt war, zog ich es vor, in Zentrumsnähe zu wohnen und einen festen Schlafplatz mein Eigen zu nennen.
Nachdem ich mich durch unzählige Anzeigen gearbeitet hatte, die nicht in Frage kamen, wollte ich schon aufgeben. Da fiel mir folgende Annonce ins Auge:
Suche: W, NR, biete 1 Z., gute Lage.Melde dich b. Lisette Johnson.
Da ich niemanden namens Lisette kannte, recherchierte ich kurz im Intranet, welche Routen sie üblicherweise flog. Nachdem ich ihren Namen eingetippt hatte, erhielt ich den folgenden Hinweis: VERTRAULICHE INFORMATIONEN. Womöglich hatte sie sich auch gerade erst getrennt – vielleicht sogar von jemandem, der ebenfalls bei Atlas arbeitete – und wollte deshalb nichts von sich preisgeben.
Mit dem Gefühl, auf eine Leidensgenossin gestoßen zu sein, nahm ich den Hörer in
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