Der Naechste bitte!
sollten sich meine Hände wenigstens an etwas festhalten können.
Mit der größten Mühe, aufgeschlossen und interessant zu wirken, schlenderte ich durch den Raum und besah mir die Gesichter, die ich von Schutzumschlägen, aus Zeitschriften und Fernsehinterviews kannte. Nachdem ich, ohne auch nur ein Wort mit jemandem zu wechseln, zwei Runden gedreht hatte, wusste ich, dass es besser wäre, mich ich in eine gemütliche Ecke zurückzuziehen, bevor ich mich auf den Heimweg machte.
Ich nippte an meinem Champagner, blickte abermals an mir hinab und wünschte mir, ich trüge statt dieses Zigeunerfummels meine Atlas-Uniform. Es war eigenartig, aber sobald ich in mein dunkelblaues Kostüm schlüpfte, verwandelte ich mich in eine Autoritätsperson, die die Passagiere in einem vollbesetzten Flieger anwies, die elektronischen Geräte auszuschalten, das Handgepäck sicher zu verstauen und die Rückenlehnen in eine senkrechte Position zu bringen. Es war fast, als verleihe mir das Polyesterkostüm magische Kräfte, wie bei Supermann und seinem Umhang, Popeye und Spinat oder Dr. Jekyll und Alkohol.
Was für eine groteske Situation. Um mich herum lachten, redeten, aßen und tranken alle, was das Zeug hielt, während ich einfach nur dastand, mich an meinem Glas festhielt und mit einem sehnsüchtigen Blick in Richtung Ausgang über Flucht nachdachte.
»Wenn Sie türmen, komme ich mit.«
Ich wandte den Kopf und erblickte einen zerfurchten, wenngleich attraktiven älteren Mann, der mich anlächelte.
»Oh!« Ich starrte ihn an und spürte, wie mir die Röte ins Gesicht kroch. »Sie sind Harrison Mann!«, sagte ich, als ob er das nicht selbst wüsste. Echt clever, Hailey!
»Sind Sie sicher?« Ein warmes Lächeln erhellte sein Gesicht. »Jetzt, da wir wissen, wer ich bin, müssen wir nur noch klären, mit wem ich es zu tun habe.«
Ich blickte ihm direkt in die dunkelblauen, tiefliegenden, von Krähenfüßen umrahmten Augen und dachte, wie unfair es doch war, dass Falten Männer sexy machten, während sie Frauen nichts als Panikattacken bescherten. »Ich heiße Hailey.« Mit einem nervösen Lächeln streckte ich meine warme, zitternde Hand aus. Ich wusste selbst nicht, warum ich so aufgeregt war. Schließlich hatte ich im Laufe der letzten sechs Jahre diverse Rock- und Filmstars, Supermodels, Nachrichtensprecher, Botschafter, Adlige, Staatsoberhäupter, Vorstandsvorsitzende, Künstler, Erbinnen – also die übliche Auswahl an Vanity-Fair-Titelschönheiten – bedient.
Er ließ meine Hand los, genehmigte sich einen großzügigen Schluck Scotch, ließ den Blick durch den Raum schweifen und sagte: »Wie finden Sie meine Party?«
»Großartig!« Ich grinste mit mir selbst um die Wette.
»Warum starren Sie dann die ganze Zeit auf die Tür, als würden Sie am liebsten flüchten?«
»Vermutlich, weil ich hier niemanden kenne«, gab ich zu und zuckte unschlüssig mit den Schultern.
»Sie standen doch auf der Gästeliste, oder?«
»Ja! Alles im grünen Bereich«, sagte ich und nippte hastig an meinem Champagner.
»Da bin ich aber erleichtert. Ich hätte Sie auch nur ungern hinausgeworfen. Sie sind nämlich die Einzige hier, die ein wenig Farbe in den Laden bringt. Sie sind mir gleich ins Auge gefallen«, sagte er, deutete auf meinen Rock und zwinkerte mir zu.
O mein Gott! Flirtet Harrison Mann etwa? Mit mir?
Ich stieß ein unbeholfenes Lachen aus und hatte das Gefühl, auf einem fremden Stern gelandet zu sein.
»Was machen Sie beruflich?« Er rückte ein wenig näher an mich heran. »Sind Sie auch im Verlagswesen tätig? Oder gar eine Kollegin von mir?«
»Nein und ja. Es gibt da zwar ein Projekt, an dem ich momentan arbeite, aber …« Meine Stimme verlor sich. Was tat ich da eigentlich? Vor mir stand ein renommierter Pulitzer-Preisträger, ein Literaturgott! Es war wohl eher unwahrscheinlich, dass er sich für meine Freizeitkritzelei interessierte.
»Was tun Sie, wenn Sie nicht schreiben?«, fragte er.
»Im echten Leben bin ich Flugbegleiterin und arbeite für Atlas Airlines«, sagte ich beschämt. Im Laufe der Jahre war mir auf schmerzliche Weise bewusst geworden, wie sehr es die meisten gebildeten New Yorker überraschte, dass unsereins lesen und sogar schreiben konnte. Eine traurige Tatsache, wenn man bedachte, dass viele meiner Kolleginnen einen College-Abschluss in der Tasche hatten und außerhalb des Flughafens als Anwältinnen, PR-Berate-rinnen, Autorinnen, Psychologinnen, Opernsängerinnen, Schauspielerinnen,
Weitere Kostenlose Bücher