Der Naechste bitte!
die Kollegin, die seit dreißig Jahren im Dienst war, stets lange weiße Handschuhe trug und das Menü in der ersten Klasse durch hausgemachte Spezialitäten ergänzte. Dann war da noch die Kollegin, die nicht ohne ihre drei Schildkröten fliegen konnte. Die Schülerin, die so gerne Flugbegleiterin werden wollte, dass sie den Personalbogen einer Kollegin fotokopiert, den Namen retuschiert und durch ihren eigenen ersetzt hatte.
Ich musterte Harrison, der geduldig auf eine Antwort wartete. Aber von alledem wollte ich ihm nichts erzählen. Schließlich wusste ich ja nicht, ob ich diese Geschichten eines Tages für meine eigenen Romane brauchte. Also setzte ich ein artiges Lächeln auf und sagte: »Einmal habe ich gesehen, wie ein Mann sich die Schuhe ausgezogen hat und auf Socken in die Toilette gegangen ist.«
Im nächsten Augenblick hielt die Limousine, der Fahrer öffnete das kleine Fenster in der Trennwand und sagte: »Mister Mann, wir sind da.«
Dinge, die es bei der Entscheidung zur Evakuierung zu berücksichtigen gilt:
Was sehen Sie?
Was hören Sie?
Was riechen Sie?
Was wird Ihnen gesagt?
Die Flugbegleiter sind angehalten, vor Start undLandung eine Bestandsaufnahme zu machen unddabei folgende Aspekte zu berücksichtigen:
Vollständigkeit der Ausrüstung,
Position des nächsten Ausgangs,
Passagiere, die helfen können,
Passagiere, die Hilfe brauchen.
15
Auf dem Weg zu unserem Tisch betete ich, dass ich nicht stolpern möge. Es kam mir vor, als wären sämtliche Augenpaare auf uns gerichtet. Obwohl ich daran gewöhnt war, dass mich gelangweilte Passagiere anstarrten, war dies eine völlig neue Erfahrung.
»Stört Sie das nicht?«, fragte ich, drapierte die Serviette auf meinem Schoß und lächelte Harrison an.
Doch er zuckte nur die Achseln. »Sie werden uns in Ruhe lassen«, sagte er.
Ich beobachtete, wie er die Weinkarte studierte, und hoffte, dass er recht hatte. Der Gedanke, erneut übergangen zu werden, machte mich fuchsteufelswild. Zumal ich mich wie eine Schneekönigin auf den heutigen Abend gefreut hatte. Vergangene Woche hatte ich jede freie Minute damit verbracht, ihn zu ergoogeln, damit ich mehr über seine außergewöhnliche Karriere herausfand. Allerdings hatte jedes neue Detail nur noch mehr Fragen aufgeworfen.
Nachdem er endlich den Wein bestellt und wir das Kelchschwenken, Schnuppern und Nippen hinter uns gebracht hatten, lehnte ich mich nach vorne und fragte: »Haben Sie schon immer gewusst, dass Sie Schriftsteller werden wollen?« Gespannt sah ich zu, wie er nochmals an dem Wein nippte und nachdenklich nickte, offenbar in der Erwartung, ich würde eine phänomenale Lobeshymne über ihn anstimmen. Aber das tat ich nicht.
Okay, vielleicht war das nicht die originellste aller Fragen, aber ich habe ja noch gar nicht richtig losgelegt und so einiges in petto.
»Erzählen Sie doch mal«, setzte er an und stützte die Arme auf dem Tisch ab. »Was hat Sie dazu veranlasst, Stewardess zu werden?«
Mir war klar, dass ich im Gegensatz zu ihm nicht mit einem schlichten Nicken aus der Nummer herauskam. Also antwortete ich achselzuckend: »Eigentlich war es purer Zufall. Ich reise nun mal gerne, und als ich damals gehört habe, dass es viele freie Stellen gibt, dachte ich daran, dass der Job eine Menge Freizeit mit sich bringt, die ich zum Schreiben nutzen könnte.« Damit hatte ich es geschafft, das Gespräch wieder aufs Schreiben zu lenken. Eine ideale Vorlage für meine nächste Frage.
»Erzählen Sie mir ein wenig von Ihrer Ausbildung. Wie darf ich mir das vorstellen?«
»Ist das Ihr Ernst?«, entfuhr es mir, und ich spürte, wie meine Schultern in sich zusammenfielen und mein Herz zum Sinkflug ansetzte. Ich sah ihm in die tiefliegenden blauen Augen.
»Mein voller Ernst.« Er stellte das Weinglas ab. »Mich interessiert jedes noch so winzige Detail.«
Beim Verlassen des Restaurants hatte sich der Himmel aufgeklart, und wir entschieden, dass der Abend zu schön war, um mit dem Wagen zu fahren. Harrison schickte den Chauffeur fort, und wir schlenderten durch die gepflasterten Gassen von SoHo. Leider war mein angeknackster Absatz kurz davor, sich endgültig zu verabschieden.
»Nur, damit ich das richtig verstehe«, sagte er. »Für das Boarding werden Sie nicht bezahlt, sondern nur für die reine Flugzeit, stimmt’s?«
»Ja«, sagte ich, inzwischen mehr als leicht genervt. Ich versuchte nicht einmal, mit meinem Frust hinter dem Berg zu halten. Seit geschlagenen drei
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