Der Naechste bitte!
lang seinem Nachbarn nicht begegnete, beim Chinesen an der Ecke jedoch stets auf dieselben Leute traf.
»Sie meinten zwar, Sie seien nicht hungrig, trotzdem habe ich Ihnen eine Kleinigkeit mitgebracht«, sagte er und legte einen Vanille-Mandel-Biscotto neben meinen Latte macchiato.
»Essen Sie mittags immer hier?«, fragte ich und brach den Keks durch. »Midtown ist ja nicht gerade um die Ecke.«
»Ich wohne nicht weit von hier«, sagte er und biss in sein Thunfischsandwich.
»Das erklärt einiges«, antwortete ich und nahm einen Schluck Kaffee. »Die Sache mit dem Stalking, meine ich.«
Er lachte. »Jetzt, wo Sie’s sagen. Ich habe Sie schon eine ganze Weile nicht mehr bei Starbucks gesehen. Sind Sie eigentlich mit Ihrem Buch fertig?«
»Ja. Gerade vorhin habe ich das Manuskript an mehrere Verlage rausgeschickt«, erzählte ich ihm voller Stolz und konnte selbst kaum glauben, dass es endlich fertig war und sich auf dem Weg in diverse Lektorate befand.
»Welche Verlage haben Sie ausgewählt?«, fragte er, griff nach seiner Flasche Wasser und öffnete sie.
»Nur namhafte Häuser«, erwiderte ich und konnte das Grinsen nicht unterdrücken, als ich darauf wartete, dass er mich mit Glückwünschen überhäufte.
»Was ist mit Agenten?« Er legte den Kopf leicht in den Nacken und trank von seinem Wasser.
»Agenten. Äh, nein.« Ich hatte nicht eine Sekunde daran gedacht, meinen Roman auch an Literaturagenturen zu schicken. Arbeiteten Agenten nicht nur mit Autoren zusammen, die bereits veröffentlicht hatten? Vielleicht lag ich da falsch. Hätte ich es doch auf allen Kanälen versuchen sollen?
»Haben Sie sich wenigstens mit den Richtlinien der Verlage für Manuskripte beschäftigt?« Er kniff besorgt den Mund zusammen.
»Ich fürchte, eher nicht«, antwortete ich kleinlaut und spürte, dass meine Laune kippte – wie ein Glas Milch in der prallen Sonne.
Ein unheilvoller Ausdruck überschattete seine Züge. »Die meisten haben ziemlich strenge Regeln, und Manuskripte, die diese nicht erfüllen, haben kaum eine Chance. Entweder wandern sie direkt ins Altpapier, werden umgetütet und ungelesen zurückgeschickt oder gammeln die nächsten anderthalb Jahre auf einem Stapel mit anderen unverlangt eingesandten Manuskripten vor sich hin«, erklärte er mir und wischte sich mit der Papierserviette die Krümel vom Kinn.
Mit dem Gefühl, ein Geburtstagsluftballon zu sein, der soeben von einer langen, spitzen Nadel zum Platzen gebracht worden war, starrte ich auf die Tischplatte. »Bevor ich Ihnen begegnet bin, ging es mir ziemlich gut, weil ich den Roman endlich in trockenen Tüchern habe«, sagte ich. Meine Kehle zog sich vor Wut zusammen, und ich spürte, wie sich eine Armee von Tränen ansammelte. »Allein die Tatsache, dass ich das Projekt durchgezogen habe, hat sich wundervoll angefühlt.« Bis Sie meinen Weg gekreuzt haben, Sie brutaler Launenkiller und sadistischer Träumezerstörer.
»Mmh«, murmelte er.
Mmh? Ist das alles? Ein simples »Mmh«? Entschuldigung, dass ich kein literarisch anerkanntes Genie wie Ihre herzallerliebste Cadence bin, aber würde es Ihnen ein Zacken aus der Krone brechen, wenn Sie für mich ein paar Worte des Lobes übrig hätten? Oder zumindest ein halbherziges »Gut gemacht, Mädchen«? Was ist nur los mit Ihnen? Warum haben Sie mich überhaupt gefragt, ob ich mit Ihnen essen gehen möchte?
»Wie geht es Harrison?«, wechselte er das Thema, als hätte es meinen verbalen Ausrutscher nie gegeben.
»Harrison geht’s prima«, log ich. »Ein echt cooler Typ.«
Soll er doch denken, dass Harrison mir geraten hat, die Vorgaben der Verlage in den Wind zu schlagen.
»Wirklich?« Er wirkte überrascht.
»Wirklich.« Ich nickte, trank meinen Kaffee aus und wünschte mir nichts sehnlicher, als diesem Aufreißeraffen endlich adiós zu sagen. Dieser Kerl war pures Gift für meine gute Laune.
Er meinte daraufhin nur gelassen: »Ich muss jetzt ins Büro. Vorher wollte ich Sie noch fragen, ob Sie dieses Wochenende eventuell Zeit hätten.«
Ich starrte auf meinen Becher aus recyceltem Papier, den ich gedankenlos zu einem unidentifizierbaren Haufen zusammengefaltet hatte. Ist das sein Ernst? Weshalb in Himmels Namen sollte ich mit ihm ausgehen wollen? Damit er mir eine Standpauke halten und mir erklären kann, wie wenig ich von der Verlagswelt weiß? Was für ein blasierter Mistkerl! Schließlich ist er Anwalt und kein Literat. Nur weil er mit einer Autorin schläft, machte ihn das noch lange
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