Der Name Der Dunkelheit
Reichsmordkommission kommen würde.
Sofi hat ihr ganzes Leben lang Zeit gehabt, sich der Wirkung ihrer schwarzen Haare und Augen auf andere Menschen bewusst zu werden, deshalb konnte sie davon ausgehen, dass die Leute auf dem Sofa rätselten, wie sie zu den Farben an ihrem Körper gekommen war, wo ihr Name doch so schwedisch klang. Beim Heimweg in der U-Bahn konnte sie damit die Aufmerksamkeit von Männern auf sich ziehen und sie von einer verhängnisvollen Affäre träumen lassen. Auch bei der Arbeit kam ihr der dunkle Teint zugute. Trauernde verbanden etwas Schicksalhaftes mit ihr, als landete ein schwarzer Rabe auf der Fensterbank.
Sie antwortete auf die stumme Frage. »Bei einem nichtnatürlichen Tod muss die Polizei die Möglichkeit ausschlie- ßen, dass es sich um ein Verbrechen handelt. Das ist eine vorgeschriebene Routine.«
»Du bist von der Reichskriminalpolizei«, sagte der Mann, der anscheinend Elins Vater war. »Habe ich das richtig verstanden?«
Sofi nickte. »Wir wurden hinzugezogen, weil an den Feiertagen viel passiert.«
»Werdet ihr Elin obduzieren?«, wollte die junge Frau wissen, die Sofi die Tür geöffnet hatte.
»Die Todesursache muss immer bestimmt werden, wenn sie nicht offenkundig ist.«
»Ist sie das etwa nicht?«
Darauf durfte Sofi nicht antworten. Und sie wollte die Leute nicht weiter verdrießen. »Wenn man nach einem halben Jahr auf der Intensivstation an Krebs stirbt, ist das offenkundig ein
natürlicher Tod, aber selbst da muss ein Pathologe das Gewebe untersuchen. Kann ich einzeln mit euch sprechen?«
Das Paar, das Sofi als Elins Eltern ausgemacht hatte, nickte. Der Vater stemmte sich aus dem Sofa. Sofi folgte ihm auf der roten Treppe hinauf in ein Zimmer, das anscheinend ihm allein gehörte. Die Wände waren mit Buchregalen bedeckt. Sonst enthielt das Zimmer nur einen Sessel, in dem Jakob Gustafsson viel Zeit zu verbringen schien. Auf den Lehnen hatte der Blumenbezug fast keine Farbe mehr. Er bot Sofi Platz auf dem schmalen Ziersofa an der Wand an und sank routiniert in seinen Sessel. Sofi sah sich in Ruhe um. Der Straßenatlas vom ICA-Supermarkt und ein altes Wörterbuch für Norwegisch. Die anderen Bücher in den vier Regalen waren alle Krimis.
Ein Krimizimmer.
Sofi richtete ihren Blick hastig auf Jakob Gustafsson. Er rang um Fassung, seit er sich gesetzt hatte. Das raubte einem mehr Kraft, wusste Sofi, als im Klimmzug an einer Turnstange zu hängen.
»Dafür hatte sie einen schönen Tod«, begann sie. Die Leute mit etwas Unerwartetem zu schockieren, damit hatte sie in der Vergangenheit viele Erfolge erzielt.
Der Vater nickte mechanisch, vertiefte sich in diese neue Vorstellung, erlitt dann jedoch einen Weinkrampf, während Sofi schweigend dasaß und noch einmal Stina Nääs verfluchte. Die Vorschrift sah vor, dass der Ermittler Distanz wahrte. Als der Vater sich gefasst hatte, ließ Sofi die Stille noch ein wenig wirken. Ihr frisch lädierter Ellenbogen schmerzte höllisch.
»Würdest du deinem Vater das antun?«, fragte er.
Sie konnte diese Frage nicht beantworten und wog ab, in welche Richtung sie lügen sollte. Am Ende entschied sich für die Wahrheit. »Ich kenne meinen Vater nicht.«
»Aha«, erwiderte der Vater enttäuscht. »Bei Elin … ich hatte das Gegenteil erwartet.«
Sofi verstand nicht recht, was diese Aussage bedeutete, nahm aber dennoch ihren Notizblock und schrieb es auf. Sie schrieb immer alles auf.
»Es gab zwei Dinge, die Elin interessierten. Das eine war die Naturwissenschaft. Deshalb wollte sie unbedingt studieren.«
Sofi hatte zuvor ein kurzes Gespräch mit Henning geführt und schrieb die Zauberei gleich mit auf. Das war sicher das Zweite.
»Das Zweite war die Zauberei. Die hat sie seit ihrer Kindheit geliebt.«
»Auf ihrem Spiegel im Badezimmer steht: I’m good for magic … «
»… and magic is good for me.« Der Vater lächelte. »Das war immer ihr Spruch. Keine Ahnung, woher sie den hatte. Ich habe lange gehofft, dass sie sich von dem Wunsch zu studieren trennt. Wenn man so oft durch die Aufnahmeprüfung fällt, ist das doch ein sicheres Zeichen!« Er sah Sofi so eindringlich an, als müsste er sie überzeugen.
»Das Schicksal hat etwas anderes mit einem vor?«
Jakob Gustafsson nickte erleichtert. Seine Ansicht war also nicht so abwegig, dass nur er sie verstand.
»Vielleicht hat sie eine Bestandsaufnahme ihres Lebens gemacht«, sagte Sofi. Jakob Gustafsson sah sie an. Das verstand er nicht. »Eine Liste.«
»Sie hat keine
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