Der Name Der Dunkelheit
den Aufzügen. Normalerweise bedurfte es einer Karte, um die Tür zu öffnen.
»Jesus!«, murmelte die Frau.
Ein Mann stieg aus dem Aufzug, grüßte Hulda freundlich und lief in den Feierabend.
»Da hat sie Glück«, knurrte Kjell. »Spaziert arglos herein, und dann kommt auch noch jemand mit dem Aufzug unten an. Ihr solltet von nun an besser miteinander kommunizieren. Immerhin trägt sie einen gelben Mantel. Und ihre Gummistiefel quietschen bestimmt auf diesem Boden.«
Henning bat darum, das Band noch einmal sehen zu dürfen. »Mit Glück hat es wenig zu tun, wenn du mich fragst«, sagte er danach und wollte das Band noch einmal sehen.
»Wonach suchst du denn?«, erkundigte sich Kjell nach der vierten Wiederholung.
Henning antwortete nicht und verlangte stattdessen nach den Bildern der Außenkameras. »Fünfzig Kronen, dass sie eine Weile draußen wartet.«
Kjell verweigerte diese Wette, weil er nicht verstand, worauf sein Kollege hinauswollte und was ihn so an den Aufnahmen interessierte.
»Wunderbar!«, hauchte Henning, als sie Hulda draußen stehen und dann loslaufen sahen. »Sie hat die Wachleute beobachtet, den Moment abgepasst und die Sache dann ohne Zögern durchgezogen.«
»Aber woher konnte sie wissen, dass am anderen Ende der Halle der Aufzug ankommen würde?«
Henning zuckte mit den Schultern. »Weiß nicht, aber das macht die Sache so erstklassig. Sie hat es faustdick hinter den Ohren, das sage ich dir.«
8
Der Violvägen wand sich wie eine mittelalterliche Gasse um die Anhöhe, dabei konnte die Siedlung nicht älter als fünfzehn Jahre sein. Sofi Johansson legte wieder ihr Fernglas an. Die Häuser waren alle Kopien des ersten Hauses der Straße, die ganze Siedlung wirkte wie an einem einzigen Tag erbaut. Wie fanden die Leute hier nur ihr eigenes Haus, fragte sie sich. Durch den Schleier aus Schneeflocken erkannte sie die Hausnummer nur unscharf. Neben dem Haus fegte eine vermummte Gestalt den Weg zur Tür frei. Das fiel einem kaum ein, wenn man gerade vom Tod seiner Tochter erfahren hat. Das übernächste Haus wollte sie auslassen, weil sie weit und breit kein parkendes Auto entdeckte. Aber als sie die Nummer entzifferte, bremste sie so scharf, dass sich der Fiat quer stellte. Hier war es, einundzwanzig, Violvägen. Der alte Motor knatterte, das hörte man drinnen bestimmt. Sofi parkte am Stra- ßenrand und suchte nach der Telefonnummer von Stina Nääs. Die nahm noch vor dem zweiten Läuten ab.
»Stina«, sagte Sofi. »Ich stehe vor dem Haus der Gustafssons. Wo bist du? «
»Bin vor einer halben Stunde von dort weg.«
Anscheinend wollte die Notfallpsychologin nicht den ganzen Weihnachtstag für die Gustafssons opfern. Sofi seufzte. Das war die einzige Antwort, die ihr einfiel.
»Bist du dir unsicher?«, fragte die Psychologin.
»Es ist gegen die Vorschrift, das weißt du. Ich bin von der Reichsmord. Wir haben keine Erstkontakte. So gut wie nie.«
Stina wechselte in eine einfühlsame Melodie aus Worten und schloss damit, dass es noch einige andere Angehörige von anderen Selbstmördern gebe, die jetzt des Trostes von Stina Nääs bedurften.
»Also gut«, sagte Sofi und seufzte noch einmal.
»Wie alt bist du eigentlich?«, fragte Stina.
»Warum fragst du?«
»Deiner Stimme nach bist du im selben Alter wie die Tochter.«
»Ist das schlecht?«
»Hmm, manchmal ja, manchmal nein.«
Den Weg zur Haustür nutzte Sofi, um Stina Nääs zu verfluchen. Auf der Außentreppe kam sie auf den Holzstufen ins Rutschen und schürfte sich den Ellenbogen an der Hauswand auf.
Eine junge Frau öffnete. Sie konnte nicht zu den Gustafssons gehören. Sofi hatte das Volksbuch studiert und kannte die Familienverhältnisse. Während sie sich im Flur die Schuhe auszog, starrte die Frau unablässig zu ihr herab. Vielleicht war sie eine Cousine, überlegte Sofi. Auch im Wohnzimmer ging das Starren weiter. Dort saßen acht sprachlose Personen auf zwei Sofas. Dazwischen stand der Weihnachtsbaum, und für einige Sekunden verfing sich Sofi Johansson in der Frage, ob sie die Kerzen in dieser Lage ebenfalls einschalten oder lieber aus lassen würde. Der Boden glänzte. Das Holz musste gerade erst verlegt worden sein. Und nun das!
Während sie einem nach dem anderen die Hand schüttelte,
suchte sie nach einem Hinweis, wer von diesen Leuten Elins Eltern waren. Wahrscheinlich handelte es sich um Nachbarn, denn draußen parkten keine Autos. Stina hatte den Leuten bloß mitgeteilt, dass ein Ermittler von der
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