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Der Name Der Dunkelheit

Titel: Der Name Der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Scholten
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Das fiel den anderen auf, weil der Boden rau war und knirschte. »Sonst ist es doch auch immer recht grob, und jetzt nimmst du es auf einmal sehr genau. Ausgerechnet an Weihnachten.«
    »Die Einschlafzeit ist nicht eingerechnet. Das Flunitrazepam hat Muskelkrämpfe verursacht. Sie verzögern das Auskühlen noch.«
    »Wie viel hat sie eingenommen?«, erkundigte sich Kjell.
    »Zwei Tabletten. Vielleicht drei. Eher zwei.«
    Stille trat ein. Suunaat wäre die Letzte gewesen, die eine Stille durchbrach. Mit dem Hinweis auf seine eigene Kerntemperatur schlug Kjell vor, bald hinüber ins Büro zu gehen. Als sie in den Korridor zurückkehrten, saß Sofi Johansson auf einem der Wartestühle im Gang und blätterte in einer Trostbroschüre.
    »Wo wart ihr?«, fragte sie.
    »Hinten«, informierte Henning geheimnisvoll.
    Während Suunaat allen Kaffee einschenkte, klärte Kjell Sofi über den widersprüchlichen Befund auf.

    Sofi lauschte ungeduldig, bis er zum Ende kam. »Hast du obduziert?«
    Suunaat schüttelte den Kopf. Sie war mit allem sparsam, mit Worten, mit Taten und mit der Kaffeemilch.
    »Elin Gustafsson litt an einer geheimnisvollen Lähmung, die sporadisch auftrat«, sagte Sofi. »Ich habe eine Fotokopie von ihrer ersten Diagnose. Der Vater hat sie mir mitgegeben.«
    »Lähmung?«, fragte Kjell.
    »Die Ärzte haben keine Erklärung dafür.«
    »Ein Nervenfieber? Wie im neunzehnten Jahrhundert?«
    Es gebe viele Krankheitsfälle, erklärte Suunaat, deren Ursache die Ärzte erst nach dem Tod des Patienten bestimmen konnten.
    »Die Lähmungen traten immer in Schüben auf und verschwanden nach einigen Wochen wieder«, sagte Sofi. »Dazwischen hatte sie keine Beschwerden. In den letzten drei Wochen brauchte sie einen Rollstuhl.«

10
    Henning Larsson musste einsehen, dass sich auch mit frischen Kerzen am Adventskranz keine Weihnachtsbehaglichkeit erzwingen ließ. Gegen das Porträt, das der Projektor an die Wand der Besprechungsraums warf, kam er damit nicht an. Das Bild zeigte Elin Gustafsson an ihrem letzten Schultag. Sofi hatte die Eltern mit der Bitte um ein aktuelleres Foto in Verlegenheit gebracht.
    Kjell schob seinem Kollegen die Kontoauszüge zu. Er hatte sie zuvor mit Elin Gustafssons Bankkarte in der Filiale in der Hamngatan geholt. Denn es war immer Henning, der sich um die finanzielle Seite eines Falles kümmerte. Darin war er ein Schlitzohr. Weil er sich jeden Betrag als riesigen Haufen aus
Einkronenmünzen vorstellte, stieß er meist als Erster auf finanzielle Unregelmäßigkeiten, so klein sie auch sein mochten. Überstieg der Haufen Hennings räumliches Vorstellungsvermögen von zehntausend Kronen, gab er die Sache an Snæfríður weiter. Sie hatte früher bei der Wirtschaftskriminalität gearbeitet.
    Murmelnd überflog Henning die Auflistung. »Keine leichtsinnigen Abhebungen. Sieht alles ganz regelmäßig aus.«
    »Hast du dir etwas erwartet?«, fragte Kjell.
    Henning zuckte nur mit den Schultern. Manchmal war aus ihm nichts herauszubekommen.
    Sofi raschelte mit ihrem Papier. »Soll ich dann beginnen?«
    Ihr fiel die Biografie zu. Henning würde ihren Vortrag später mit seinen Eindrücken aus der Wohnung ergänzen. Sie spürte, dass Kjell über ihre Schulter hinweg das Porträt von Elin anstarrte, und drehte sich um.
    »Vor der Pubertät sah sie angeblich nicht so blass und dicklich aus. Die Krankheit ist damals ausgebrochen, vermuten die Ärzte. Diagnostiziert wurde sie allerdings erst vor drei Jahren, als zum ersten Mal Lähmungen auftraten. Seither sind sie gekommen und gegangen.«
    Sofi berichtete, was sie aus der Diagnose und vom Vater erfahren hatte: Elin litt unter hypokaliämischen Lähmungen . Sie wurden durch Kaliummangel verursacht und befielen Muskeln und Nerven. Bei jedem Schub dauerte es Wochen, bis das Kaliumniveau sich erholte. Dafür hatte bisher niemand eine Erklärung gefunden.
    »Ich meine eher die Augen«, sagte Kjell. »Ihr Blick erregt irgendwie Mitleid. Das hat doch mit der Krankheit nichts zu tun, oder?«
    »Ich weiß, was du meinst. Das soll in letzter Zeit nicht mehr so gewesen sein. Glaubt ihr Vater.«
    »Hast du mit der Mutter gesprochen?«

    »Dazu kam ich gar nicht. Bei der Neuigkeit!«
    Henning seufzte und nahm ein Zimtplätzchen vom Teller.
    »Der Elternteil mit dem gleichen Geschlecht ist bei der Befragung immer der wichtige«, sagte Kjell. »Das weißt du.«
    »Die Mutter schien gar keine Verbindung zu ihrer Tochter zu haben. Die saß mit den anderen auf dem Sofa, und

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