Der Name Der Dunkelheit
Ich frage mich, wie typisch sie für das Leben der beiden Frauen waren.«
»Und zu welchem Ergebnis bist du dabei gekommen?«
»Judit Juholt ist Jüdin. In der jüdischen Gemeinde kennt man sie nicht. Vielleicht ist die Familie nicht religiös. Judit hat also kein Problem damit, eine Kirche aufzusuchen.«
»Und was sucht sie dort?«
»Einkehr.«
»Kontemplation?«
»Das ist meine Theorie«, sagte Sofi. »Ich gehe selbst manchmal in die Sofiakirche, obwohl ich Katholikin bin.«
»Im Ernst?«
»Das weißt du doch.«
»Dass du katholisch bist! Aber von der Sofiakirche hast du nie erzählt!«
»Warum sollte ich davon erzählen?«
»Wann warst du zuletzt dort?«
»Neulich. Vor einer Woche vielleicht.«
»Das meinte ich, als ich dich heute alle drei Stunden nach etwas Außergewöhnlichem fragte.«
»So wie du oft am Strandbad bist, wenn auch nur im Sommer.«
»Ich bin ständig mit Lilly dort. Die Stellen liegen also nicht nur in der Nähe unserer Wohnungen, es sind auch genau die Stellen, die wir aufsuchen, wenn wir ins Freie gehen. Oder hast du noch andere Stellen?«
»Nein.«
»Machen wir lieber weiter. Deine Theorie läuft also auf innere Einkehr hinaus. Judit war zum Nachdenken in der Kirche.«
»Genau wie Elin Gustafsson am Strand. Beide Frauen standen in ihrem Leben an einem Scheideweg. Und beide suchten dafür Orte auf, die sich in ihren Augen eigneten, um nachzudenken. Und nicht nur in ihren Augen.«
»Sie sind also beide in einem Moment der inneren Einkehr verschwunden. Ist das deine Theorie?«
Sofi trennte sich von der Aussicht und drehte sich zu Kjell.
»Deine Stirn ist rot«, sagte der. »Sehr rot.«
Sofi rubbelte mit dem Handrücken darüber. »Wenn das die
Gemeinsamkeit ist, dann haben wir ein Problem. Eine weitere Gemeinsamkeit ist nämlich die Gleichzeitigkeit.«
Zwei solcher Übereinstimmungen deuteten immer darauf hin, dass die Ermittler sich in eine Wahnvorstellung verrannt hatten. Eine der beiden Gemeinsamkeiten musste Zufall sein. Der Inhalt oder der Zeitpunkt.
»Was schlägst du vor?«, fragte er.
»Die Auswahl der Frauen ist Zufall. Entscheidend ist, was sie im Moment ihres Verschwindens getan haben.«
»Das kann nicht sein. Finde mal am 21. Dezember um 18 Uhr zwei Frauen, die in sich gehen. Weißt du, was ich glaube?«
»Du bist für den Zeitpunkt.«
»Und ich kann dir auch sagen, warum ich das glaube. Nimm an, du hast die beiden Frauen als Opfer ausgesucht. Der ideale Zeitpunkt für ihre Entführung ist wann?«
»Wenn sie allein sind.«
»Genau. Nicht während des Weihnachtseinkaufs oder bei der Arbeit.«
»Der Zeitpunkt also. Ich bin einverstanden.«
» Wie ist es geschehen?«
Das war die zweite der fünf Fragen aus dem Katalog der Reichsmord. Sofi lief im Zimmer auf und ab. »Sie sterben ohne Bewusstsein durch Unterkühlung. In der Zeit bis zu ihrem Wiederauftauchen bleibt der Körper gefroren.«
»Gefroren? Du meinst gekühlt?«
»Gefroren. Bei Elin sind wir bisher davon ausgegangen, die Außentemperatur hätte ihren Körper abgekühlt. Aber Judits Körper lag weit unter der Temperatur in der Kirche. Sie wurde viel schneller entdeckt als Elin, deshalb glaube ich, dass Elins Körper sich am Strand nicht auf den Gefrierpunkt abkühlte, sondern sogar erwärmte.«
»Wozu dient die Kälte?«
»Bei Elin konnte man noch annehmen, die Kühlung solle die Tatzeit verschleiern.«
Kjell hob seine rechte Augenbraue. »Und vor allem den Umstand, dass es Mord war.«
»Das haben wir aus unserer Sicht geglaubt. Hätten wir aber Judit vor Elin gefunden, wären wir nie der Annahme verfallen, der Täter wollte uns täuschen. Deshalb dürfen wir auch die Erkenntnisse, die wir scheinbar aus Elins Fall gezogen haben, nicht auf Judit übertragen. Dann stellen wir nur die falschen Fragen. So hast du es mir beigebracht.«
»Damit du mich darauf hinweisen kannst, wenn ich wieder darauf hereinfalle.«
»Und ich sage dir: Wäre Judit das erste Opfer gewesen, hätten wir einen Selbstmord bei Elin nicht in Betracht gezogen, weder als echten Selbstmord noch als verschleierten Mord. Mit dem Wissen von Judits Fall wäre unser Augenmerk bei Elin auf die Szene gefallen. So herum hätten wir die richtigen Fragen gestellt, denn objektiv ist die Methode bei beiden Opfern gleich.«
»Nun haben wir also alle falschen Fragen eliminiert und stehen ohne Motiv da.«
Sofi breitete ihre Arme aus. »Versuch mal, mich hochzuheben.«
Kjell umfasste ihre Hüfte und hob sie mit Leichtigkeit.
»Ich
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