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Der Name Der Dunkelheit

Titel: Der Name Der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Scholten
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wiege etwa soviel wie Judit. Probier es noch einmal.«
    Diesmal entspannte Sofi all ihre Muskeln, so dass Kjell sie nur mit Mühe vom Boden lösen konnte.
    »Aber diesen Effekt hätte er auf andere Weise auch erzielen können.«
    »Er kann den Körper nicht nur leichter transportieren, er kann ihn auch leichter in der Szene arrangieren. Judits Leiche saß ohne Hilfsmittel da.«
    »Wie immer denkst du praktisch. Hier glaube ich allerdings
nicht, dass praktische Gründe den Ausschlag geben.« Er wandte sich ab und setzte sich auf den Stuhl, einen der wenigen Gegenstände, die noch hiergeblieben waren. »Es ist das Bild, Sofi. Die Frische. Bei ihrem Auffinden wirkten die Leichen, als wäre seit ihrem Verschwinden keine Zeit verstrichen. Das bringt uns zur dritten Frage: Warum ist es geschehen?«
    »Du glaubst an einen Irren.«
    Kjell schüttelte den Kopf.
    »Kein Irrer?« Sofi war jetzt sehr gespannt.
    »Irre schon, aber nicht einer.«
    Sofi musterte ihn schweigend.
    »Warst du oben bei der Orgel?«
    »Nein.«
    »Rate mal, was man von dort sieht.«
    Sie zuckte mit den Schultern. Das bedeutete auf Värmländisch, dass sie keine Ahnung hatte.
    »Man sieht alles!«
    »Aber es war nicht sehr hell, hat der Organist ausgesagt.«
    »Man sieht es, Sofi, ich habe es ausprobiert. Bei Minimalbeleuchtung bemerkt man, wenn dort unten jemand sitzt. Nur wenn man konzentriert spielt, kann es einem entgehen. Aber der Orgelstuhl ist so angebracht, dass der Organist die Bänke überblicken kann. Glaubst du, ein Einzelner ist in der Lage, den Körper schnell hinzutragen und zu arrangieren? Wie soll er das schaffen?«
    »Mit dem Rollstuhl von Elin Gustafsson. Der ja nicht im Fjord liegt.«
    Sofis Antwort brachte Kjell für einen Augenblick aus der Spur. »Nein, ich habe die Steigung bei der Glätte heute Nacht kaum mit dem Auto geschafft.«
    Sofi nickte einsichtig. Aber sie würde es ausrechnen. Das war klar.
    »Nehmen wir an, es war so, wie du sagst. Ein Irrer, der tote
Frauen im Rollstuhl durch Södermalm transportiert und von niemandem dabei beobachtet wird. Das könnte die Methode sein, die Körper zur Auffindesituation zu befördern.«
    Sofi nickte.
    »Aber wie hat er sie am Einundzwanzigsten von dort weggebracht, und vor allem, beide zugleich?«

33
    Die Schlange vor der Essensausgabe kam schnell voran. Doch an den Tischen war nichts mehr frei. Noch im Mantel lief Sofi mit dem Tablett vor der Brust zwischen den Reihen auf und ab, bis eine Gruppe am Fenster aufstand und der halbe Tisch frei wurde.
    Ihr blieben zwanzig Minuten bis zur Besprechung. Während sie mit der Gabel in der rechten Hand zu essen begann, fischte sie mit der linken in der Tasche nach ihrem Telefon. Im Laufe des Tages hatte es zweimal geläutet. Der Sender in der Überwachungskamera hatte sich kurz vor Mittag gemeldet. Daraufhin hatte Sofi die Internetseite aufgerufen, auf der man das Kamerabild betrachten konnte. Aber es war der Postbote gewesen. Da sie ganz oben im Haus wohnte, kam selten jemand vorbei. Den zweiten Anruf vor einer Stunde hatte ihr Nachbar ausgelöst. Andersson arbeitete bei Folksam und kam immer um diese Zeit nach Hause. Als Schöpfer gezeichneter Liebeserklärungen konnte Sofi ihn sich nicht vorstellen. Im Sommer unterhielten sie sich manchmal, wenn sie sich zufällig beim Kissenausschütteln auf dem Balkon trafen. Ihm boten sich also viel zu gute Gelegenheiten, um auf einen so verwegenen Plan zu kommen. Außerdem konnte ein Mann, dem es gelang, mit fünfzig Jahren noch alle zwei Monate seine ansehnliche Geliebte auszuwechseln, kaum auf anonyme
Offenbarungen angewiesen sein. Zur Zeit trat jeden Sonntagmorgen eine gelockte Dame auf seinen Balkon und streckte sich mit einem Gähnen, das Sofi jedes Mal aus dem Schlaf riss.
    »Hallo«, sagte eine Stimme.
    In der Spiegelung des Fensters erschien Jannika Fager von der Bezirkspolizei.
    Sofi drehte den Kopf. Das war ihre einzige Reaktion. Beim Betreten der Kantine hatte sie zwar Ausschau gehalten, dabei aber offenkundig Jannika Fagers ganze Abteilung übersehen. Die saß drei Tische weiter und blickte geschlossen herüber.
    Jannika nahm Sofi gegenüber Platz. Sie hatte sich sogar ihre Kaffeetasse mitgebracht. »Ich habe schon einmal bei dir angerufen. Deine Durchwahl ist doch 423, oder?«
    Sofi zog sich die Gabel aus dem Mund. »Wir waren drau ßen«, sagte sie. »Warum hast du es nicht wieder auf meinem Mobiltelefon versucht?«
    So wie am Tag zuvor.
    »Deine Kollegin sagte, du bist krank. Das klang wie

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