Der Name Der Dunkelheit
nachgespielt.«
»Und da hat sie ihre Verachtung abgelegt, mit einem Schlag sozusagen, und mit dem Schlagzeugspielen angefangen?«
»So war es ganz und gar nicht. Die hat sie eigentlich nie abgelegt. Ich musste sie anheizen, damit sie spielte. Erst einige Wochen später ist es zum ersten Mal passiert, dass sie von allein gespielt hat.«
»Warum wolltest du das denn überhaupt?«
Malte grinste. »Sie war beim ersten Mal schon sehr gut. Sie konnte jedes Muster nachspielen, das ich ihr zeigte. Es war immer schwer, sie zum Spielen zu bringen, aber sobald sie angefangen hatte, war sie nicht mehr zu halten. Lange ahnte sie nicht, wie viel Talent sie hat, und glaubte, das Drummen sei einfach kinderleicht.«
»Ihr Professor an der Musikhochschule behauptet, dass sie ihr Studium sehr vernachlässigt hat.«
»Sie hat alles vernachlässigt, seit sie richtig übte.«
»Auch eure Beziehung?«
»Nein.«
»Ihr wart also ein glückliches Paar?«
»Wir hatten nur eine Affäre in den ersten Wochen. Ich wollte nicht, dass sie meine Hand hält. Ich wollte, dass sie spielt.«
»Okay«, sagte Barbro und seufzte. »Sie war also richtig gut?«
»Wollt ihr es hören?«
Barbro, Henning und Kjell nickten dreieinig. Malte verließ den Raum und tauchte am Mischpult hinter der Trennscheibe wieder auf. Eine elektrische Gitarre setzte ein mit einer schnellen Folge monotoner Quarten. Es sollte klingen, als spielte sich der Gitarrist zu Beginn des Liedes lässig ein. Nach einigen Takten setzte der Bass auf dieselbe Weise ein. Noch ein wenig später folgte das Schlagzeug. Judit begann mit Schlägen auf das Becken und setzte dann voll ein.
Kjell richtete sich auf. Erst kam es ihm so vor, als läge es an den besonderen akustischen Eigenschaften dieses Raums, dass Judit klang, als schlüge sie ihm direkt auf das Trommelfell. Es musste jedoch an ihr liegen, denn die anderen Instrumente klangen normal. Jeder Schlag war wie ein Knall. Das Gleichmaß ihres Spiels, das sehr schnell, aber ohne Eskapaden war, sorgte dafür, dass man das Schlagzeug wohl auch dann als dominierend empfunden hätte, wenn man von Judit nichts wusste und das Lied ganz unvoreingenommen anhörte.
Nach vier Minuten endete es. Die Stille im Raum knackte und knisterte. Kjell war bewegt. Er liebte es, wenn normale Dinge, denen er bislang keine Beachtung geschenkt hatte, plötzlich ganz neu klangen. Henning warf einen Blick über seine Schulter und suchte Augenkontakt. Ihm war anzusehen, dass auch er an Elin Gustafsson gedacht hatte, an die enorme Diskrepanz zwischen den beiden toten Frauen.
Barbro räusperte sich. »Wie lange und wie viel muss man üben, um so spielen zu können?«
Malte zuckte mit den Achseln. »Ich übe seit siebzehn Jahren sechs Stunden am Tag und kann nicht so spielen.«
»Es ist nicht die Technik«, sagte Sven, der für differenzierte Urteile der bessere Ansprechpartner war. »Bei ihrem Talent hat sie die motorischen Fähigkeiten sehr schnell entwickelt. Es ist die Totalität, mit der sie in die Sache reingeht. Das macht Drumming auf diesem Niveau aus. Ihre Drums sind immer da und treiben die ganze Zeit an, in jedem Augenblick. Pamm, pamm, pamm ! Sie spielt nicht mit, sondern voraus. Die Band ist ziemlich gut und kommt gerade groß raus. Aber die Typen hatten wahnsinnige Mühe, ihrem Going-Straight standzuhalten.«
Malte lachte. Das Zurückstreichen der Haare war eine ständige Geste an ihm. »Judit ist nur eingesprungen. Am Anfang waren die ziemlich sauer, weil niemand eine Frau an den Drums haben will. Eine der wenigen Wahrheiten im Musikbusiness ist, dass Frauen nicht drummen können. Wie die Drummerin von Lenny Kravitz. Die schwingt mit Unterarmen und Schultern, als wäre sie auf dem Tennisplatz.«
»Bei ihr ist es Absicht«, wandte Sven ein. »Kravitz will das so. Das habe ich dir schon tausend Mal erklärt!«
»Sieht trotzdem schlimm aus.«
»Spielte Judit etwa nicht so?«, fragte Kjell, damit die beiden nicht über die Schlagzeugerin von Lenny Kravitz in Streit gerieten.
»Nur mit den Fingern, wie es sein muss!« Malte führte die Fingerbewegung vor. »Nach acht Stunden hat sie noch wie ein verdammtes Metronom gespielt. Das ist mir schon in der ersten Nacht aufgefallen.«
Henning war immer tiefer ins Polster gerutscht und richtete sich auf. »Ihr findet also, dass sie zum Trommeln geboren war.«
»Nicht bloß wir«, erwiderte Sven. »Sie hat von überallher
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