Der Name der Finsternis: Roman (German Edition)
ein Symbol seiner Prüfung. „Subversives Material darf nach seiner Entdeckung nicht gelesen, gehört oder betrachtet werden, um
Neugierde zu befriedigen,“ stand im
Buch der Erleuchtung
. „Es gibt nur einen Schutz gegen die Vergiftung des Bewusstseins – kein Gift zulassen.“
Aron wälzte sich auf dem Bett. Er sah sich im Büro der Ethik-Hüter, die Kassette in der Hand, einen Fragebogen ausfüllend, Bens Namen einfügend. Man würde
ihn fragen, ob er das Band zu Ende gehört hatte. Es war nicht möglich, Ethik-Hüter zu belügen. Zugleich spürte er seinen Fuß auf dem Ansatz der Brücke, auf
dem Beginn des schmalen Grates über den flammenerfüllten Abgrund, sah den Menschen, der vor ihm gegangen war, sah ihn hinabstürzen in die Tiefe. Traum und
Wirklichkeit glitten ineinander. Einen Augenblick verharrte Aron, horchte in die Stille der Nacht hinein, bevor er das Band ein kurzes Stück zurückrollte,
die Kopfhörer aufsetzte und den Startknopf drückte.
„…Wind davon bekommen, dass Ken in aller Öffentlichkeit die Wahrheit über die Liga auspacken, dass er mit dieser unerträglichen Lüge Schluss machen wollte.
Da blieb ihnen nur eine einzige Möglichkeit, nämlich ihn aus dem Weg zu räumen.“
„Aber…“
„Frag mich nicht, wie sie es angestellt haben, den armen Kerl, der geschossen hat, dazu zu bewegen, den Mahaguru abzuknallen. Ich bin keiner von den
Spinnern, die all das spiritistische Zeug glauben, mit dem heutzutage so viel Missbrauch getrieben wird, aber seit ich gesehen habe, was ich gestern sah,
weiß ich, dass hier etwas im Spiel war, das sich nicht ohne Weiteres erklären lässt.“
„Wenn es stimmt, was du sagst, wird es ihnen keine Probleme bereiten, Ken im Krankenhaus den Rest zu geben.“
„Ich glaube nicht, dass das, was sich jetzt Ken nennt, so leicht umzubringen ist. Hör zu, genau das ist der Grund, warum ich dich gebeten habe, das Tonband
laufen zu lassen. Ich will, dass aufgezeichnet wird, was ich jetzt sage. Ich will, dass du einen Beweis hast, wenn man es später anzweifelt. Ich habe in
den vergangenen Jahren so viele Lügen gehört, dass ich sichergehen will, dass meine letzten Worte von niemandem in Zweifel gezogen werden. Du und ich sind
die einzigen, die mit eigenen Augen gesehen haben, was geschehen ist. Ich möchte, dass du meine Stimme als Beweis anführen kannst, wenn das einmal nötig
sein sollte.“
„Was soll das heißen, deine letzten Worte? Du wirst in ein paar Tagen aus dem Krankenhaus entlassen.“
Gelächter, das in Husten überging, war die Antwort. „Ich werde dieses verdammte Krankenhaus nicht lebend verlassen. Damit habe ich mich abgefunden. Ich bin
Arzt. Ich weiß, wann es zu Ende geht.“
„Aber John, die Verletzungen sind doch...“
„Lass gut sein. Es geht nicht um mich. Es ist nicht die Kugel, die mich getroffen hat. Die war in der Tat harmlos. Selbst für einen alten Knacker wie mich
auf keinen Fall tödlich. Ein läppischer Streifschuss am Arm. Ich könnte eigentlich mit einem kleinen Verband nach Hause gehen.“
„Was ist es dann?“
„Vergiss es! Sag mir lieber, wie du den Anschlag erlebt hast.“
„Na ja, es ging alles so schnell. Ich saß hinter der Bühne, neben Ted und dir und habe Ken angestarrt. Woher weißt du eigentlich, dass er an diesem Abend
die Liga auffliegen lassen wollte?“
„Ted und Ken haben mich eingeweiht, als wir im Heli zum Seminar flogen. Ich war erleichtert. Auch mir stand diese Lüge bis zum Hals. Du weißt sehr gut, was
ich seit Jasons Tod für die Organisation empfand. Aber lassen wir die alten Geschichten. Sprich weiter. Wir haben nicht viel Zeit.“
„Gut. Ich starrte Ken an. Ich fieberte diesem Vortrag entgegen, der alles verändern und zum Guten wenden sollte. Meine ganze Hoffnung ruhte auf diesem
Vortrag. Ich war in Sorge, wie die Atmas reagieren würden und vor allem, wie Panetta reagieren würde. Ich war wie in Trance. Ken begann zögerlich zu
sprechen. Auf einmal fielen die Schüsse. Ich sah Ken auf seinem Stuhl zusammensacken. Scheinbar gleichzeitig war auch Ted schon bei ihm. Er muss losgerannt
sein, in dem Augenblick, als der Mann schoss. Vielleicht hat er gesehen, wie sich im Publikum einer erhob und die Waffe zog. Ted saß so, dass er zwischen
zwei Kulissen ein Stück des Saales sehen konnte. Ja, er muss den Kerl entdeckt haben, bevor er schoss. Im Saal schrien einige Leute, aber der Mann schoss
weiter und traf Ted. Du ranntest unmittelbar danach auf die Bühne und
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