Der Name der Finsternis: Roman (German Edition)
Einfluss, Privilegien und
Reichtum zu verschaffen und zu sichern, oder, was vermutlich die gefährlichere Variante darstellt, indem die psychischen Defekte charismatischer Führer zur
geistigen Grundlage einer Gemeinschaft leichtgläubiger Anhänger werden. Sehr oft mischen sich beide Formen. Die Geschichte religiösen Lebens in Ost und
West ist reich an solchen Fällen. Auch in der Liga finden sich deutliche Zeichen für beide Phänomene. Die daraus erwachsenden Mechanismen der Machtausübung
gleichen sich in allen Zeit und Kulturen: Verzerrung von Realitäten, Verdrehung spiritueller Grundprinzipien, psychisch gefährliche Techniken, Abhängigkeit
von einer vergötterten Führerperson, Angst, Massenhysterie in all ihren Formen und so weiter und so fort. Man kann es in jedem Buch nachlesen, das
Sektenphänomene analysiert oder aber totalitäre Staatssysteme – denn dort sind die Mechanismen ähnlich.
Ein weiterer Faktor, der Menschen an solche Gruppen bindet, ist die sogenannte persönliche innere Erfahrung des einzelnen, die angeblich unumstößlichen
Beweis für die Authentizität einer Lehre liefert. Sie schreiben, dass die Anhänger der Liga von „spirituellen Erfahrungen“ berichten, die als Beweise für
die Macht des Mahaguru und das eigene Ausgewähltsein gedeutet werden. Auch diese sogenannten spirituellen Erfahrungen in Meditationen, Gruppensitzungen
oder Träumen, seien es nun intensive Gefühle innerer Befreiung, Angehobensein, Liebe, Macht, Verbundenheit mit dem Meister, Gott oder dem Kosmos oder
Visionen von Lichtern, Tönen, Bildern, unsichtbaren Meistern, fantastischen höheren Ebenen bis zu paranormalen Phänomenen, werden oft dazu missbraucht,
Menschen von einem Guru oder einer Lehre abhängig zu machen. Es ist relativ einfach, durch bestimmte Techniken, wie sie auch in der Liga gebräuchlich sind,
solche Erfahrungen beim einzelnen hervorzurufen. All diese scheinbaren Resultate einer bestimmten psychischen Praxis entspringen dem unerschöpflichen
Reservoir menschlichen Geistes, sind Projektionen von Geistesfaktoren, die in jedem Menschen als natürliche Fähigkeiten angelegt sind. Sie als Gnade eines
Guru oder als exklusiven Besitz einer Organisation zu deklarieren, ist ein uralter Trick, Menschen spirituell zu versklaven, vergleichbar mit dem Versuch,
jede andere natürliche Fähigkeit wie Atmen, Laufen, Essen abhängig zu machen von äußerlichen Ursachen, von einem Guru, einer Lehre, einer Technik. In
vielen Fällen sind solche spektakulären Erlebnisse ohnehin kaum mehr als Projektionen eigener Sehnsüchte, Gefühle und Fantasien, nicht selten sogar
Ausdruck neurotischer Verstiegenheit, weit entfernt von den Erkenntnissen authentischer spiritueller Bemühung, die auf Einsicht in den nicht-dualen Urgrund
abzielt. Es ist eine schwerwiegende Verdrehung von Tatsachen, phänomenale psychische Erlebnisse als spirituelle Erfahrungen darzustellen. So werden
Menschen oft lebenslang in Verblendung und Unfreiheit, in untergeordneten Anfangsstadien spiritueller Entwicklung oder aber in labilen neurotischen
Geisteszuständen festgehalten und in der Illusion bestärkt, diese Beschränktheit des Bewusstseins sei Ausdruck höchster Erleuchtung. Dies sind Mechanismen
der Machtausübung, die von vielen Systemen und Meistern benutzt werden.
Im speziellen Fall der Liga jedoch kommt noch ein Element hinzu, das weit tiefer führt und weit mehr Schaden anzurichten vermag. Sie haben auf dem Seminar,
auf dem Ihr Freund sein Leben verlor und das Sie zum Anlass für Ihre Flucht nahmen, klaren Einblick genommen in dieses unsichtbare Element, von dem ich
spreche.
Von einem universalen, neutralen Blickpunkt erscheint das Phänomen einer negativen, dunklen Macht, die Ausdruck findet durch das Wirken von Menschen, die
von ihr verführt und verblendet wurden, als Teil des völlig natürlichen Wirkens polarer Kräfte. Die Spannung zwischen positivem und negativem Pol ist
Grundlage allen Lebens in einem dualen Universum und daher völlig wertfrei. Positiv und Negativ mit Attributen von Gut und Böse zu belegen, entspringt
allein dem Bestreben des Menschen, alle Erscheinungen gemäß seinen persönlichen Vorlieben und Maßstäben zu bewerten und ihnen einen Grad absoluter Realität
zuzubilligen, den sie gar nicht besitzen. Gut und Böse sind moralische Kategorien, keine spirituellen. Eine davon losgelöste Sichtweise hingegen führt
zwangsläufig dazu, den tatsächlichen Wirklichkeitsgehalt der
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