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Der Name der Finsternis: Roman (German Edition)

Der Name der Finsternis: Roman (German Edition)

Titel: Der Name der Finsternis: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Binder
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er
    darin, schreiend, stöhnend, den Namen ihres furchtbaren Gottes anrufend, die Herzen in bebender Ehrfurcht aufgerissen, damit seine Kraft in sie einströme,
    sie leite im Krieg für ihn und die seinen, huschende Schatten auf den Gesichtern, Flammen, den Widerschein unzähliger Fackeln und Feuerbecken. Sich selbst
    sah er wieder, vor dieser gierig lauernden Menge, fiebernden, blutrünstigen Blicken ausgeliefert, die Hand über einer Flamme in metallener Schale, die
    Augen geweitet in maßlosem Entsetzen. Das Feuer sprang in einer Eruption über auf seinen Arm, seine Schultern, sein Gesicht, hüllte ihn ein, ohne ihn zu
    verbrennen, eine kalte, flammende Wand, die ihn einsiegelte in seine Angst, die seinen Atem abschnitt und seinen Willen, die ihn lähmte und zugleich sein
    Bewusstsein schärfte für das Grauen, das ihn erwartete. Er spürte die zuckende Energie des Feuers, doch sie verbrannte ihn nicht. Das Gesicht des Alten
    erschien vor der Eiswand aus Flammen, starrte ihn an mit Augen, aus denen Hass und Verderben sprühten, ein Hass, der sich in sein Herz brannte wie
    glühender Stahl, unauslöschlich, ewig, mit tobender Gewalt, die schrecklicher war als jede Folter, grauenvoller als tausendfacher Tod. Festgebannt stand er
    im Mantel der Flammen, wurde zu Asche gebrannt, bevor sein Körper brannte, wurde getötet, bevor er starb, erlebte seine restlose Vernichtung mit wachem
    Bewusstsein, Augenblicke lang, die zu Ewigkeiten wuchsen. Die einzige Wirklichkeit in dieser Hölle waren die Augen des Alten, aus denen Stürme von Hass
    brachen, die Finsternis ewiger Verdammnis. Als sie sich endlich abwandten, griffen die Flammen nach seinem Körper, versengten ihn, fraßen ihn, doch waren
    die Todesqualen des Fleisches, die ihn schreien ließen, brüllen und toben wie ein Tier, ein Nichts, verglichen mit dem Hass des Gottes, der über alle Tode
    hinaus eingepflanzt war in ihm. In dem Dunkel aber, das nun auf ihn herabsank, das alles Wissen auslöschte und alle Erinnerung, verfolgte ihn der Kopf des
    brennenden Götzen, gelockt von seinem Schreien, das durch die Finsternis gellte, angezogen von der Energie seiner Angst, die das einzige war, das von ihm
    blieb.
    Ein kurzer, heiserer Schrei, ein Ächzen eher, ein raues Hervorstoßen des Atems trug Aron zurück in die Wirklichkeit, ließ ihn in jähem Aufbäumen
    zurückfallen in seinen Körper, der sanft gehalten wurde von geduldigen Händen. Stille war um ihn, eine Wohltat nach dem Inferno des Schreiens, mildes,
    gedämpftes Licht, samtenes Halbdunkel, das wie Balsam um seine Augen floss nach dem wütenden Sturm der Flammen. Stimmen murmelten in rascher, singender
    Sprache. Aron schien, als träume er, und doch war dies die Wirklichkeit des Jetzt, die seidige Nachtluft Balis, das Konzert der Zikaden. Herber Duft
    verbrannter Kräuter stieg in seine Nase und belebte ihn. Langsam tastete er sich zurück in die Erinnerungen an den vergangenen Tag, die Wanderung, die
    Prozession der Frauen, das metallene Hämmern des Gamelan, die Gesichter der kindlichen Tänzerinnen, der durch das Feuer laufende Mann, das Schwinden des
    Bewusstseins beim Anblick des im Glutmeer tanzenden Menschen, das Fallen, die formlose Finsternis, der Kopf des flammenden Gottes, das Brennen im Hass
    unbarmherziger Augen, lähmende Angst, die ihm über die Grenzen des Todes folgte – Kreise, ineinander verschlungen und nicht zu trennen in Wirklichkeit und
    Traum. Alles schien sich erneut aufzulösen, brach entzwei, versank. Wie fragil die Wirklichkeit doch ist auf dieser Insel, dachte Aron, wie dünnes Eis. Er
    schlug wieder die Augen auf, gespannt, welche Bilder sie diesmal erblicken würden. Das wohltuend warme Licht war noch da, unverändert. Es floss aus einer
    ruhig brennenden Kokoslampe hinter seinem Kopf. Die Musik der Zikaden war noch um ihn, die weichen Stimmen der Menschen, die in seiner Nähe hockten. Eine
    Hand fasste behutsam seinen Nacken, hob den Kopf und hielt eine Schale an seine Lippen.
    „Trink,“ sagte eine Stimme neben ihm, eine Stimme, die Aron augenblicklich vertraut war, ohne dass er wusste, woher. Sie riss ihn aus dem Halbschatten der
    Traumbilder, wie ein Wasserguss, der unvermittelt alle Nebelhaftigkeit von seinem Bewusstsein wusch, ein fester Halt in den verschwimmenden,
    ineinanderfließenden Eindrücken. Aron trank bitteren Tee, spürte, wie er Wärme in seinen Körper flößte, neue Kräfte weckte. Er fühlte einen Raum
    kristallener Klarheit in sich, als habe das

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