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Der Name der Rose

Der Name der Rose

Titel: Der Name der Rose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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sagt dir, daß wir nicht von einer anderen Prämisse ausgehen müssen? Zum Beispiel von dieser: Da alles dafür spricht, daß niemand es fortgeschafft haben kann . . .«
    ». . . müßte es noch dasein. Aber es war nicht da!«
    »Moment mal! Wir sagen, daß es nicht da war, weil wir es nicht gefunden haben. Aber vielleicht haben wir es nicht gefunden, weil wir nicht da nachgeschaut haben, wo es war.«
    »Aber wir haben überall nachgeschaut!«
    »Nachgeschaut, ja, aber vielleicht nicht gesehen. Oder gesehen, aber nicht erkannt. Adson, denk doch mal nach, wie hatte Severin das Buch genannt?«
    »Er sagte, es sei ein Buch, das er nicht kenne, ein griechisches Buch . . .«
    »Nein, jetzt erinnere ich mich, er sagte: ein seltsames Buch! Severin war ein Gelehrter, und für einen Gelehrten ist ein griechisches Buch nicht seltsam, auch wenn er kein Griechisch versteht, denn in jedem Falle kennt er die Schrift. Ein Gelehrter würde nicht einmal ein arabisches Buch als seltsam bezeichnen, auch 230
    Der Name der Rose – Fünfter Tag
    wenn er kein Arabisch versteht . . .« William unterbrach sich. »Und was sollte auch ein arabisches Buch in Severins Laboratorium?«
    »Aber warum hat er das Buch dann seltsam genannt?«
    »Eben das ist die Frage. Es muß irgendwie ungewöhnlich gewesen sein, zumindest für ihn, der schließlich Botanikus war und nicht Bibliothekar . . . In Bibliotheken kommt es zuweilen vor, daß mehrere alte Handschriften einfach zusammengebunden werden, so daß in einem Band dann mehrere ganz verschiedene Texte enthalten sind, zum Beispiel ein griechischer, ein aramäischer . . .«
    ». . . und ein arabischer!« schrie ich auf, von blitzartiger Erkenntnis durchzuckt.
    William packte mich hart am Arm, zerrte mich aus dem Narthex und über den Hof zurück zum
    Laboratorium. »Hornochse! Holzkopf von einem Teutonen! Ignorant! Du hast nur die ersten Seiten geprüft und nicht den Rest!«
    »Aber Meister!« jammerte ich. »Ihr wart es doch, der die Seiten geprüft hat! Ich hatte sie Euch gezeigt, und Ihr habt gesagt, das sei Arabisch und nicht Griechisch!«
    »Ja, ja, du hast ja recht! Ich bin der Hornochse! Los, schneller!«
    Keuchend erreichten wir das Hospital und hatten Mühe hineinzukommen, denn die Novizen trugen gerade den Leichnam heraus. Drinnen wimmelte es von Neugierigen. William stürzte sofort zum Tisch, durchwühlte hastig die Bücher auf der Suche nach jenem einen schicksalsschwangeren, nahm sie eins nach dem anderen zur Hand und warf sie ungeduldig zu Boden unter den staunenden Augen der Umstehenden, fing noch einmal von vorn an, schlug jedes einzelne auf, dann noch ein drittes Mal . . . Es half alles nichts, die arabische Handschrift war verschwunden. Ich konnte mich dunkel an den sehr alten Einband erinnern, er war nicht robust gewesen und ziemlich abgewetzt, zusammengehalten von leichten Metallbändern . . .
    »Wer ist hier reingekommen, seit wir raus sind?« fragte William einen der Mönche, der freilich nur hilflos die Achseln zuckte. Klar, alle und niemand waren hereingekommen.
    Rasch überlegten wir, welche Möglichkeiten es gab. Malachias? Unwahrscheinlich, er wußte genau, was er suchte, er hatte uns vermutlich beobachtet und gesehen, daß wir mit leeren Händen herausgekommen waren, er war sicher längst ins Skriptorium zurückgekehrt. Benno? Jetzt fiel mir ein, daß er vorhin bei unserem kurzen Wortwechsel über die arabische Handschrift gelacht hatte. Ich hatte natürlich angenommen, er habe über meine Dummheit gelacht, aber vielleicht war es Williams Naivität gewesen, die ihn so amüsiert hatte – ihn, der sicherlich wußte, in wie vielen verschiedenen Gestalten eine alte Handschrift sich darbieten kann . . .Vielleicht hatte er sofort erkannt, was wir leider erst jetzt erkannt hatten, aber natürlich gleich hätten erkennen müssen – nämlich daß es doch recht sonderbar war, bei Severin, der kein Arabisch konnte, ein arabisches Buch zu finden . . . Wer kam sonst noch in Frage? Gab es eine dritte Person?
    William war völlig niedergeschlagen. Ich wollte ihn trösten, indem ich ihm sagte, seit drei Tagen sei er nun auf der Suche nach einem griechischen Buch gewesen, da sei es doch ganz natürlich, daß er beim Prüfen der Bücher alle, die keine griechische Schrift aufwiesen, sofort ausgesondert habe. Worauf er jedoch erwiderte, Irren sei gewiß menschlich, aber es gebe Menschen, die sich öfter als andere irrten, und die nenne man Tölpel, und er sei einer davon, und er frage sich,

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