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Der Name der Rose

Der Name der Rose

Titel: Der Name der Rose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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wozu er so lange in Paris und Oxford studiert habe, um dann nicht mal auf einen so simplen Gedanken zu kommen, daß alte Handschriften auch in Gruppen zusammengebunden sein können, was schließlich schon die Novizen wüßten, abgesehen von solchen Tölpeln wie mir, und ein Tölpelpaar wie wir beide hätte sicher großen Erfolg auf den Jahrmärkten, und dort sollten wir lieber künftig auftreten, statt hier dunkle Geheimnisse klären zu wollen, besonders wenn wir es mit Leuten zu tun hätten, die sehr viel heller seien als wir.
    »Aber was soll das Gejammer?« sagte er schließlich. »Wenn Malachias das Buch genommen hat, ist es jetzt sicher wieder in der Bibliothek, und dort finden wir es nur, wenn wir das Rätsel . des Finis Africae lösen.
    Und wenn es Benno genommen hat, wird er sich gewiß gedacht haben, daß ich früher oder später auf denselben Gedanken kommen würde wie er, sonst hätte er nicht so schnell gehandelt. Folglich hat er sich irgendwo mit dem Buch versteckt, und der einzige Ort, an welchem er sich gewiß nicht versteckt hat, ist der, an welchem wir ihn sofort suchen würden, nämlich seine Zelle. Also gehen wir lieber in den Kapitelsaal und sehen, ob vielleicht beim Verhör des Cellerars etwas herauskommt, was uns weiterbringt. Alles in allem ist mir nämlich noch gar nicht recht klar, worauf Bernard eigentlich hinauswill. Schließlich suchte er seinen Mann schon seit heute morgen, also lange bevor Severin ermordet wurde und aus ganz anderen Gründen.«
    Wir gingen zurück zum Kapitelsaal. Wir hätten besser daran getan, in Bennos Zelle zu gehen. Denn wie wir später erfuhren, hatte unser junger Freund durchaus keine so hohe Meinung von Williams Scharfsinn gehabt und daher nicht erwartet, daß wir so schnell ins Laboratorium zurückkehren würden. Weshalb er in 231
    Der Name der Rose – Fünfter Tag
    der Annahme, daß ihn keiner dort suchen würde, genau in seine Zelle gegangen war, um dort das Buch zu verstecken . . .
    Doch davon später mehr. Einstweilen sollten sich nämlich andere Dinge ereignen, die so dramatisch und aufwühlend waren, daß wir darüber unser mysteriöses Buch fast vergaßen. Und wenn wir es auch nicht ganz vergaßen, mußten wir uns doch anderen Aufgaben zuwenden, schließlich hatte William immer noch seine Mission.
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    Der Name der Rose – Fünfter Tag
    FÜNFTER TAG
    NONA
    Worin Recht gesprochen wird und man den beklemmenden Eindruck hat, daß alle im Unrecht sind.
    Bernard Gui thronte hinter dem großen Nußbaumtisch im Kapitelsaal, flankiert von einem Dominikaner, der die Aufgaben eines Protokollanten wahrnahm, sowie von zwei Prälaten der päpstlichen Legation als beisitzenden Richtern. Remigius stand vor dem Tisch, rechts und links bewacht von zwei Bogenschützen.
    Der Abt wandte sich leise an William: »Ich weiß nicht, ob das Verfahren rechtmäßig ist. Das Laterankonzil von 1215 hat in seinem Kanon XXXVII bestimmt, daß niemand vor einen Richter zitiert werden darf, der mehr als zwei Tagesmärsche von seinem Wohnort entfernt amtiert. Hier liegt der Fall vielleicht anders, hier ist es der Richter, der von weit her kommt, aber . . .«
    »Der Inquisitor steht über jeder regulären Gerichtsbarkeit«, antwortete William, »er braucht die Normen des gewöhnlichen Rechts nicht zu befolgen, er genießt Sonderrechte und ist nicht einmal gehalten, die Verteidiger anzuhören.«
    Ich betrachtete den Cellerar. Er sah jämmerlich aus und blickte um sich wie ein verängstigtes Tier, als ob er die Gesten und Bewegungen einer gefürchteten Liturgie erkannte. Heute weiß ich, daß er aus zweierlei Gründen Angst hatte, die ihn beide gleichermaßen erschreckten: zum einen, weil er allem Anschein nach in flagranti bei einem Mord ertappt worden war, zum anderen, weil er bereits seit dem Vortag, als Bernard mit seinen Verhören begonnen und allerlei Gerüchte gesammelt hatte, bei dem Gedanken zitterte, daß seine Jugendsünden ans Licht kommen könnten; und seine Unruhe war noch gewachsen, als er gesehen hatte, wie Salvatore abgeführt worden war.
    Zudem wußte Bernard Gui sehr genau, wie man die Angst seiner Opfer in Panik verwandelt. Er sprach nicht, im Gegenteil, während alle erwarteten, daß er mit dem Verhör beginnen werde, wühlte er schweigend in den Blättern, die ausgebreitet vor ihm auf dem Tisch lagen, und tat so, als ob er sie ordnete – aber zerstreut, denn sein Blick war dabei auf den Angeklagten gerichtet, und in diesem Blick lag eine Mischung aus geheuchelter

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