Der Name der Rose
sind folgenschwere Dinge geschehen von großem Gewicht für die Christenheit, und Eure Mission ist gescheitert. Und doch seid Ihr offenbar mehr an der Aufklärung dieser Mordfälle interessiert als am Konflikt zwischen Kaiser und Papst!«
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Der Name der Rose – Fünfter Tag
»Narren und Kinder sagen die Wahrheit. Ja, Adson, du hast recht, und ich will dir auch sagen, warum.
Als kaiserlicher Ratgeber bin ich wohl nicht so gut wie mein Freund Marsilius, aber als Inquisitor bin ich der bessere. Besser sogar als Bernard, Gott vergebe mir. Denn Bernard will gar nicht unbedingt den wahren Schuldigen finden, er will nur den Angeklagten brennen sehen. Mir dagegen macht es Freude, ein richtig schön verwickeltes Knäuel zu entwirren. Hinzu kommt, daß ich in einem Moment, da ich als Philosoph bezweifle, ob die Welt eine Ordnung hat, einen gewissen Trost darin finde, wenn schon nicht eine Ordnung, so doch wenigstens ein paar Zusammenhänge zwischen den Angelegenheiten der Welt zu entdecken. Und schließlich gibt es vielleicht noch einen tieferen Grund: In dieser Geschichte geht es womöglich um Dinge, die größer und bedeutsamer sind als der Streit zwischen Kaiser und Papst . . .«
»Aber es ist doch bloß eine Geschichte von Hader und Zwietracht zwischen recht untugendhaften Mönchen!« rief ich verblüfft.
»Um ein verbotenes Buch, Adson, um ein verbotenes Buch!«
Unterdessen strömten die Mönche ins Refektorium, und wir folgten ihnen. Als das Mahl fast zur Hälfte vorüber war, erschien Michael von Cesena, setzte sich neben uns und gab uns zu verstehen, daß Ubertin fort war. William stieß einen Seufzer der Erleichterung aus.
Nach dem Mahl mieden wir den Abt, den wir mit Bernard sprechen sahen, und entdeckten Benno im Gedränge. Er warf uns ein halbes Lächeln zu und versuchte, die Tür zu erreichen. Aber William holte ihn ein und zwang ihn, uns in einen Winkel der Küche zu folgen.
»Benno«, sagte er streng, »wo ist das Buch?«
»Welches Buch?«
»Benno, keiner von uns beiden ist ein Dummkopf! Ich spreche von dem Buch, das wir heute bei Severin suchten. Ich habe es leider nicht erkannt, du aber hast es sehr wohl erkannt und hast es geholt, als wir weg waren . . .«
»Wie kommt Ihr darauf, daß ich es geholt habe?«
»Ich denke es, und du denkst es auch. Wo ist es?«
»Das kann ich nicht sagen.«
»Benno, wenn du es nicht sagst, spreche ich mit dem Abt darüber!«
»Genau das Verbot des Abtes hindert mich, es zu sagen«, erklärte Benno mit tugendhafter Miene.
»Nachdem wir uns heute mittag getrennt haben, ist etwas geschehen, das Ihr wissen müßt. Durch Berengars Tod war der Posten des Bibliothekarsgehilfen frei geworden. Heute nachmittag hat Malachias mir diesen Posten angeboten. Gerade vor einer halben Stunde hat der Abt seine Zustimmung erteilt, und morgen früh werde ich, wie ich hoffe, in die Geheimnisse der Bibliothek eingeweiht! Ja, Bruder William, ich habe das Buch geholt. Ich hatte es unter der Matte in meiner Zelle versteckt, ohne es anzusehen, weil ich wußte, daß ich von Malachias beobachtet wurde. Nach einer Weile kam er und machte mir das besagte Angebot. Und da habe ich natürlich getan, was sich für einen Bibliothekarsgehilfen gehört: Ich habe ihm das Buch ausgehändigt . . .«
Ich konnte nicht an mich halten und ging erregt auf ihn los: »Aber Benno! Gestern und vorgestern hast du . . . habt Ihr noch gesagt, daß Ihr vor Wißbegier brennt und nicht wollt, daß die Bibliothek Geheimnisse hütet, statt sich den Forschern aus aller Welt zu öffnen!«
Benno schwieg errötend, doch William hielt mich zurück: »Adson, laß ihn, es hat keinen Zweck, seit ein paar Stunden ist Benno zur anderen Seite übergelaufen. Er ist jetzt selbst der Hüter jener Geheimnisse, die er so brennend erfahren wollte, und während er sie vor fremden Blicken verbirgt, hat er genügend Zeit, sie nach Herzenslust zu erforschen.«
»Aber was ist mit den anderen?« rief ich verblüfft. »Benno sprach doch im Namen aller Forschenden!«
»Vorher«, sagte William lakonisch und zog mich fort, um Benno seinen Gewissensbissen zu überlassen.
»Du mußt begreifen«, erklärte mein Meister, »Benno ist einer großen Wollust zum Opfer gefallen, die von anderer Art ist als die Wollust Berengars und auch als die des Cellerars. Er frönt, wie viele Forscher es tun, der Lust am Wissen. Am Wissen um seiner selbst willen. Solange er zu einem Teil dieses Wissens keinen Zugang hatte, wollte er sich seiner fast um jeden
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