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Der Name der Rose

Der Name der Rose

Titel: Der Name der Rose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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Freiheit des niederen Volkes in engen Grenzen gehalten, muß erniedrigt und eingeschüchtert werden durch Ernst. Denn das Volk besitzt keine Mittel, um sein Lachen zu verfeinern und es zur scharfen Waffe zu schmieden gegen den Ernst der Hirten, die es zum ewigen Leben führen sollen und daher bewahren müssen vor den Verlockungen des Bauches, der Scham, der Tafelfreuden und all seiner schmutzigen Begierden. Würde jedoch eines Tages jemand, die Worte des PHILOSOPHEN schwenkend und folglich selbst auftretend als Philosoph, die Kunst des Lachens zur schneidenden Waffe schmieden, würde alsdann die Rhetorik des Überzeugens ersetzt durch eine Rhetorik des Spottens, würde die Topik des geduldigen Aufbauens und Zusammenfügens von Heilsbildern der Erlösung verdrängt durch eine Topik des ungeduldigen Niederreißens und Auf-den-Kopf-Stellens aller heiligsten und verehrungswürdigsten Bilder, oh, wahrlich, ich sage dir, dann würdest auch du, William von Baskerville, mitsamt deiner ganzen Weisheit in den Strudel gerissen!«
    »Wieso? Ich würde mich wehren, meinen Witz dem Witz anderer entgegenstellen. Das wäre eine bessere Welt als die unsere, in der das Feuer und die glühenden Eisen eines Dolcino niedergehalten werden vom Feuer und den glühenden Eisen eines Bernard Gui.«
    »Du würdest sehr bald den Verlockungen des Dämons erliegen, du würdest überwechseln zur anderen Seite auf dem Schlachtfeld vom Armageddon, wo es zum Letzten Gefecht kommen muß. Doch auch für jenen Tag muß die Kirche noch einmal die Regeln des Kampfes bestimmen. Uns macht die Lästerung keine Angst, denn selbst noch in der Verfluchung Gottes erkennen wir das entstellende Abbild des zürnenden Jahwe, der die rebellischen Engel verflucht. Wir fürchten auch nicht die Gewalt der Ketzer, die Priester töten im Namen irgendeiner Erneuerungsphantasie, denn es ist keine andere Gewalt als die der Fürsten, die das Volk Israel zu vernichten suchten. Wir fürchten weder die Strenge der Donatisten, den selbstmörderischen Wahn der Circumcellionen, noch die Wollust der Bogomilen, die stolze Reinheit der Albigenser, das Blutbedürfnis der Flagellanten oder den Rausch des Bösen der Brüder des Freien Geistes: Wir kennen sie alle, wir kennen die Wurzel all ihrer Sünden, denn sie ist auch die Wurzel unserer Heiligkeit. Die Ketzer machen uns keine Angst, und vor allem wissen wir, wie sie vernichtet werden können, genauer noch: wie man sie dazu bringt, sich selbst zu vernichten, denn es braucht nicht viel, und sie setzen in den Zenit ihres Himmels den Todeswillen, der aus den Abgründen ihres Nadir entsteht. Ja, ich möchte fast sagen, ihre Anwesenheit ist uns teuer, sie fügt sich trefflich in Gottes Plan, denn ihre Sünde stärkt unsere Tugend, ihr Lästern spornt unseren Lobgesang an, ihr zügelloses, entfesseltes Büßertum zügelt unseren Geschmack am Opfer, ihre Gottlosigkeit läßt unsere Gottesfurcht hell erstrahlen, so wie der Fürst der Finsternis mit seiner Rebellion und Verzweiflung vonnöten war, um in vollem Glänze erstrahlen zu lassen die Gloria Dei, Anfang und Ende aller Hoffnung . . . Doch wenn eines Tages – und nicht mehr nur als plebejische Ausnahme, sondern als Askese des Wissenden und Gelehrten, dem unzerstörbaren Zeugnis der Schrift anvertraut – die Kunst des Lächerlichmachens annehmbar würde und nobel erschiene und hochherzig und nicht mehr gemein, wenn eines Tages jemand sagen könnte (und dafür Gehör fände): Ich lache über die Inkarnation . . . dann, William, dann hätten wir keine Waffen mehr, um diese Lästerung einzudämmen, denn sie würde die dunklen Kräfte der körperlichen Materie zusammenrufen, jene, die sich im Rülpsen und Furzen manifestieren, und der Furz und der Rülpser würden sich anmaßen, was nur allein dem Geist gebührt, nämlich zu wehen, wo er will!«
    »Lykurg ließ dem Lachen eine Statue errichten.«
    »Ich las es im Buch des Chloritius, der die Mimen von der Anklage der Gottlosigkeit freisprechen wollte, der uns erzählt, wie ein Kranker von seinem Übel geheilt worden sei, weil der Arzt ihn zum Lachen gebracht habe! Wozu hätte der Arzt ihn heilen sollen, da Gott doch beschlossen hatte, daß seine Tage auf Erden vorüber waren?«
    »Ich glaube nicht, daß der Arzt ihn von seinem Übel geheilt hat. Er hat ihn gelehrt, über sein Übel zu lachen.«
    »Das Übel treibt man nicht aus. Das Übel zerstört man.«
    »Mitsamt dem Körper des Kranken?«
    »Wenn es sein muß.«
    »Du bist der Teufel!«

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