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Der Name der Rose

Der Name der Rose

Titel: Der Name der Rose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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sagte da William.
    Jorge schien nicht recht zu begreifen. Wäre er sehend gewesen, ich hätte gesagt: Er sah sein Gegenüber fassungslos an.
    »Ich?« fragte er.
    296
    Der Name der Rose – Siebenter Tag
    »Ja, du! Man hat dich belogen, der Teufel ist nicht der Fürst der Materie, der Teufel ist die Anmaßung des Geistes, der Glaube ohne ein Lächeln, die Wahrheit, die niemals vom Zweifel erfaßt wird. Der Teufel ist schwarz und finster, denn er weiß, wohin er geht, und er geht immer dahin zurück, woher er gekommen ist.
    Du bist der Teufel, du lebst wie der Teufel im Finstern. Wenn du mich überzeugen wolltest, so ist dir das nicht gelungen. Ich hasse dich, Jorge von Burgos, und wenn ich könnte, würde ich dich hinunterführen und über den Hof treiben, nackt ausgezogen, ein paar Hahnenfedern im Hintern und das Gesicht bemalt wie ein Narr und Hanswurst, damit alle im Kloster über dich lachen und keine Angst mehr haben. Ja, es würde mir Spaß machen, dich mit Honig oder Pech zu bestreichen und dann in Hühnerfedern zu wälzen, dich an der Leine über die Märkte zu führen und laut zu rufen: Seht her, ihr Leute, dieser verkündete euch die Wahrheit und sagte, die Wahrheit schmecke nach Tod, und es waren nicht seine Worte, an die ihr geglaubt, sondern sein finsteres Wesen. Nun aber sage ich euch: Im endlosen Taumel der Möglichkeiten erlaubt uns Gott auch die Vorstellung einer Welt, in der die vermeintlichen Künder der Wahrheit nichts anderes sind als alberne Gimpel, die bloß immerzu wiederholen, was sie vor langer Zeit einmal gelernt haben.«
    »Du bist noch schlimmer als der Teufel, Minorit!« erwiderte Jorge. »Du bist ein Gaukler, genau wie der Heilige, der euch Mindere Brüder hervorgebracht hat. Du bist genauso wie dein Franziskus, der de toto corpore fecerat linguam , der beim Predigen hüpfte und gestikulierte wie ein Komödiant auf dem Jahrmarkt, der den Geizigen in Verwirrung brachte, indem er ihm Goldmünzen in die Hand legte, der die Andacht der Schwestern herabsetzte, indem er das Miserere sang, statt zu predigen, der auf französisch bettelte, der mit einem Stöckchen die Armbewegungen des Geigenspielers nachahmte, der sich als Vagabund verkleidete, um die gefräßigen Brüder zu verwirren, der sich nackt in den Schnee warf, der mit den Tieren und Pflanzen sprach, der sogar das Mysterienspiel der Geburt Christi in einen Bauernschwank verwandelte und das Lamm Bethlehems anrief, indem er blökte wie ein Schaf . . . Wirklich eine prächtige Schule! War nicht auch jener florentinische Bruder Diotisalvi ein Minorit?«
    »Gewiß doch«, lächelte William. »Der zum Konvent der Prediger ging und sagte, er werde keinen Bissen zu sich nehmen, bevor er nicht einen Fetzen vom Hemd des Bruders Johannes bekommen hätte, um ihn als Reliquie aufzubewahren, und als er ihn hatte, wischte er sich damit den Hintern ab, warf ihn auf den Misthaufen, wälzte ihn mit einer Stange im Kot und schrie: Oh weh, oh weh, so helft mir doch, liebe Brüder, ich hab die Reliquie des Heiligen auf der Latrine verloren!«
    »Du findest diese Geschichte wohl lustig. Vielleicht willst du mir gleich auch die von dem anderen Minoriten erzählen, von jenem Fra Paolo Millemosche, der eines Tages auf dem Eis ausrutschte, und als er der Länge nach dalag, verspotteten ihn seine Mitbürger, und einer von ihnen fragte, ob er nicht etwas Weicheres unter sich haben wolle, und da sagte er: Ja, dein Weib . . . So suchtet ihr, die Wahrheit zu finden!«
    »So lehrte Franziskus das Volk, die Dinge von einer anderen Seite zu sehen.«
    »Aber wir haben euch diszipliniert. Du hast sie gestern erlebt, deine lieben Mitbrüder: Sie sind längst wieder in unsere Reihen zurückgekehrt, sie reden nicht mehr wie die einfachen Leute. Die einfachen Leute dürfen nicht reden. Dieses Buch hätte den Gedanken rechtfertigen können, die Sprache der einfachen Leute sei Trägerin einer Wahrheit. Das mußte verhindert werden, und das habe ich getan. Du sagst, ich sei der Teufel. Du irrst: Ich bin die Hand Gottes gewesen.«
    »Die Hand Gottes verhüllt nicht, sie schafft.«
    »Es gibt Grenzen, die man nicht überschreiten darf. Gott hat gewollt, daß auf bestimmten Büchern geschrieben steht: HIC SUNT LEONES.«
    »Gott hat auch die Ungeheuer geschaffen. Auch dich. Und er will, daß über alles gesprochen wird.«
    Jorge streckte die zitternden Hände aus und griff nach dem Buch. Er zog es langsam zu sich heran und hielt es aufgeschlagen, ohne es umzudrehen, so daß

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