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Der Name der Rose

Der Name der Rose

Titel: Der Name der Rose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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noch rauchende Hochplateau wie einen verfluchten Ort. Ich weiß nicht, wohin sie gingen, sie haben sich wohl in alle Winde zerstreut.
    William und ich kehrten jener Gegend den Rücken und wandten uns – auf zwei Maultieren, die wir verirrt im Walde gefunden hatten und als herrenlos betrachteten – gen Osten. In Bobbio, wo wir erneut Station machten, hörten wir schlechte Neuigkeiten vom Kaiser. Er war in Rom eingezogen, hatte sich vom jubelnden Volke krönen lassen und, da eine Verständigung mit dem Papst nicht mehr möglich schien, einen Gegenpapst auf den Heiligen Stuhl gesetzt, einen Franziskaner, der sich Nikolaus V. nannte. Marsilius war zum geistlichen Statthalter Roms ernannt worden, doch bald schon kam es, sei's durch seine Schuld oder durch seine Schwäche, zu höchst betrüblichen Übergriffen, von denen zu sprechen mir schwerfällt.
    Papsttreue Priester wurden gefoltert, weil sie die Messe nicht lesen wollten, einen Prior der Augustiner hatte man in den Löwengraben unter dem Kapitol geworfen. Marsilius und Johannes von Jandun hatten den Avignonesischen Papst zum Ketzer erklärt, Ludwig verkündete seine Absetzung und sein Todesurteil. Doch er regierte schlecht, zog sich die Feindschaft der örtlichen Fürsten zu und vergriff sich am Staatsschatz . . . Je mehr wir von diesen schlimmen Nachrichten hörten, desto langsamer setzten wir unsere Weiterreise nach Rom fort, und ich begriff, daß William nicht Zeuge von Ereignissen werden wollte, die seine Hoffnungen niederdrückten.
    In Pomposa erfuhren wir schließlich, daß Rom sich gegen Ludwig erhoben hatte. Er war nach Pisa zurückgekehrt, um die Papststadt den siegreich wiedereinziehenden Legaten Avignons zu überlassen.
    Unterdessen hatte Michael von Cesena eingesehen, daß er bei Johannes nichts mehr erreichen, ja seines Lebens nicht mehr sicher sein konnte, und war geflohen, um sich in Pisa mit Ludwig zu vereinigen. Dieser hatte jedoch inzwischen sogar die Unterstützung seines getreuen Castruccio, des Herrn von Lucca und Pistoia, durch dessen plötzlichen Tod verloren.
    Kurzum, wir sahen voraus, daß der Bayer sich bald geschlagen nach München zurückziehen würde, und beschlossen kehrtzumachen, um ihm dorthin vorauszueilen, auch weil Italien für William allmählich unsicher zu werden begann. In der Tat sollte das kaisertreue Bündnis der ghibellinischen Fürsten in den folgenden Monaten rasch zerfallen, und nur ein Jahr später unterwarf sich der Gegenpapst Nikolaus, vor dem Thron zu Avignon niederkniend mit einem Strick um den Hals, dem alten Fuchs von Cahors.
    Als wir in München eintrafen, mußte ich mich unter vielen Tränen von meinem guten Meister verabschieden. Sein Schicksal war ungewiß, und meine Eltern wünschten meine Rückkehr nach Melk. Seit jener tragischen Nacht, da William mir angesichts der zerstörten Abtei sein tiefstes Seelenleid offenbart hatte, waren wir in stillschweigender Übereinkunft nie wieder auf die Geschichte zurückgekommen. Auch während unseres traurigen Abschieds erwähnten wir sie mit keinem Wort.
    Mein Meister gab mir viele gute Ratschläge für meine künftigen Studien mit auf den Weg und schenkte mir die Linsen, die Meister Nicolas ihm gemacht hatte, da ihm die seinen genügten. Noch sei ich jung, sagte er, aber eines Tages würde ich sie gebrauchen können (und in der Tat habe ich sie, während ich diese Zeilen schreibe, auf der Nase). Dann umarmte er mich mit der Herzlichkeit eines Vaters und sagte mir Lebewohl.
    Ich habe ihn niemals wiedergesehen. Nach vielen Jahren erzählte mir jemand, er sei der großen Pest zum 309
    Der Name der Rose – Epilog
    Opfer gefallen, die Europa um die Mitte dieses Jahrhunderts verheerte. Stets bete ich, Gott möge seine Seele gnädig zu sich genommen und ihm die vielen Akte der Hoffart vergeben haben, die sein stolzer Geist ihn hatte begehen lassen.
    Jahrzehnte später, längst schon in reifem Alter, hatte ich Gelegenheit zu einer Italienreise im Auftrag meines Abtes. Ich konnte der Versuchung nicht widerstehen und machte auf der Rückreise einen langen Umweg, um wiederzusehen, was einst die Abtei gewesen.
    Die beiden Dörfer am Fuße des Berges waren verödet, die Felder ringsum lagen brach. Ich stieg den Hang hinauf bis zum Hochplateau, und meinen tränenerfüllten Augen bot sich ein Bild der Trostlosigkeit.
    Von den prachtvollen großen Gebäuden, die einst jenen Ort geschmückt hatten, standen nur
    kümmerliche Ruinen, ganz wie von den heidnischen Monumenten in der Stadt

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