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Der Name der Rose

Der Name der Rose

Titel: Der Name der Rose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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Er breitete die Arme aus, und Ubertin drückte ihn tief bewegt an sich. »Leb wohl, Bruder William, du bist ein närrischer und arroganter Engländer, aber du hast ein großes Herz. Sehen wir uns wieder?«
    »Wir sehen uns wieder, so Gott will.«
    Gott wollte es leider nicht. Wie ich bereits erwähnte, starb Ubertin von Casale wenige Jahre später unter geheimnisvollen Umständen in einer deutschen Stadt. Es war ein schweres und abenteuerliches Leben gewesen, das dieser glühende alte Kämpfer geführt hatte, und wenn er vielleicht auch kein Heiliger war, so hoffe ich doch, daß seine unerschütterliche Überzeugung, einer zu sein, von Gott belohnt worden ist. Je älter ich werde und je demütiger ich mich dem Willen Gottes beuge, desto weniger schätze ich die Wißbegier des Verstandes und den Willen zum Handeln – und desto klarer erkenne ich als einzigen Heilsweg den Glauben, der geduldig warten kann, ohne allzuviel Fragen zu stellen. Und Ubertin hatte gewiß viel Glauben an das Blut und den Kreuzestod Unseres Herrn.
    Vielleicht dachte ich auch schon damals so, und der alte Mystiker spürte es, oder er ahnte, daß ich eines Tages so denken würde, jedenfalls umarmte er mich mit einem gütigen Lächeln, aber ohne die Glut, mit der er mich in den vergangenen Tagen zuweilen an sich gedrückt hatte. Er umarmte mich, wie ein Großvater seinen Enkel umarmt, und im gleichen Geiste erwiderte ich seinen Druck. Dann entfernte er sich mit Michael, um den Abt aufzusuchen.
    »Was machen wir jetzt?« fragte ich William.
    »Jetzt kümmern wir uns wieder um unsere Mordfälle.«
    »Meister«, sagte ich, »heute sind folgenschwere Dinge geschehen von großem Gewicht für die Christenheit, und Eure Mission ist gescheitert. Und doch seid Ihr offenbar mehr an der Aufklärung dieser Mordfälle interessiert als am Konflikt zwischen Kaiser und Papst!«
    »Narren und Kinder sagen die Wahrheit. Ja, Adson, du hast recht, und ich will dir auch sagen, warum. Als kaiserlicher Ratgeber bin ich wohl nicht so gut wie mein Freund Marsilius, aber als Inquisitor bin ich der bessere. Besser sogar als Bernard, Gott vergebe mir. Denn Bernard will gar nicht unbedingt den wahren Schuldigen finden, er will nur den Angeklagten brennen sehen. Mir dagegen macht es Freude, ein richtig schön verwickeltes Knäuel zu entwirren. Hinzu kommt, daß ich in einem Moment, da ich als Philosoph bezweifle, ob die Welt eine Ordnung hat, einen gewissen Trost darin finde, wenn schon nicht eine Ordnung, so doch wenigstens ein paar Zusammenhänge zwischen den Angelegenheiten der Welt zu entdecken. Und schließlich gibt es vielleicht noch einen tieferen Grund: In dieser Geschichte geht es womöglich um Dinge, die größer und bedeutsamer sind als der Streit zwischen Kaiser und Papst …«
    »Aber es ist doch bloß eine Geschichte von Hader und Zwietracht zwischen recht untugendhaften Mönchen!« rief ich verblüfft.
    »Um ein verbotenes Buch, Adson, um ein verbotenes Buch!«
     
    Unterdessen strömten die Mönche ins Refektorium, und wir folgten ihnen. Als das Mahl fast zur Hälfte vorüber war, erschien Michael von Cesena, setzte sich neben uns und gab uns zu verstehen, daß Ubertin fort war. William stieß einen Seufzer der Erleichterung aus.
    Nach dem Mahl mieden wir den Abt, den wir mit Bernard sprechen sahen, und entdeckten Benno im Gedränge. Er warf uns ein halbes Lächeln zu und versuchte, die Tür zu erreichen. Aber William holte ihn ein und zwang ihn, uns in einen Winkel der Küche zu folgen.
    »Benno«, sagte er streng, »wo ist das Buch?«
    »Welches Buch?«
    »Benno, keiner von uns beiden ist ein Dummkopf! Ich spreche von dem Buch, das wir heute bei Severin suchten. Ich habe es leider nicht erkannt, du aber hast es sehr wohl erkannt und hast es geholt, als wir weg waren …«
    »Wie kommt Ihr darauf, daß ich es geholt habe?«
    »Ich denke es, und du denkst es auch. Wo ist es?«
    »Das kann ich nicht sagen.«
    »Benno, wenn du es nicht sagst, spreche ich mit dem Abt darüber!«
    »Genau das Verbot des Abtes hindert mich, es zu sagen«, erklärte Benno mit tugendhafter Miene. »Nachdem wir uns heute mittag getrennt haben, ist etwas geschehen, das Ihr wissen müßt. Durch Berengars Tod war der Posten des Bibliothekarsgehilfen frei geworden. Heute nachmittag hat Malachias mir diesen Posten angeboten. Gerade vor einer halben Stunde hat der Abt seine Zustimmung erteilt, und morgen früh werde ich, wie ich hoffe, in die Geheimnisse der Bibliothek eingeweiht! Ja,

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