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Der Name der Rose

Der Name der Rose

Titel: Der Name der Rose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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Ihr damit?«
    »Ich weiß es selber noch nicht genau. Aber wie ich neulich schon sagte: Wir müssen alle Möglichkeiten in Betracht ziehen, jede Ordnung und jedes Chaos.«

PRIMA
    Worin Nicolas eine Menge erzählt, während in der Krypta der Klosterschatz besichtigt wird.
    Nicolas von Morimond, bekleidet mit seiner neuen Würde als Cellerar, gab Anweisungen an die Köche und ließ sich von ihnen die Küchengebräuche erklären. William wollte ihn sprechen, aber er bat uns, ein paar Minuten zu warten. Er müsse ohnehin gleich in die Krypta hinunter, um die Pflege der Reliquienschreine zu überwachen, die noch in seine Zuständigkeit falle, und dabei werde er dann mehr Zeit für uns haben.
    In der Tat kam er nach einer kurzen Weile und lud uns ein, ihm zu folgen. Er ging in die Kirche, trat hinter den Hauptaltar (während vorn die Mönche damit beschäftigt waren, den Katafalk für die sterbliche Hülle des Bibliothekars aufzustellen) und führte uns eine Treppe hinunter in einen niedrigen Raum, dessen Gewölbe von dicken unbehauenen Pfeilern getragen wurde. Wir befanden uns in der Krypta, wo der Klosterschatz aufbewahrt wurde – ein Ort, den der Abt sehr eifersüchtig zu hüten pflegte und der nur ausnahmsweise für besonders hochgeachtete Gäste aufgetan wurde.
    Überall ringsum standen kostbare Reliquienbehälter von unterschiedlicher Größe, in welchen das Licht der Fackeln, die von zwei treuen Gehilfen des ehemaligen Glasermeisters entzündet wurden, Gegenstände von erlesener Schönheit aufleuchten ließ. Golddurchwirkte Paramente, goldene Kronen, besetzt mit Edelsteinen, Schreine aus diversen Metallen, verziert mit Figuren in feinster Niello-Technik oder Elfenbeinschnitzerei. Nicolas zeigte uns voller Entzücken ein Evangeliar, auf dessen Einband prächtige Emailbeschläge erglänzten: eine farbenprangende Vielfalt regelmäßiger Felder, abgeteilt durch Goldfiligrane und festgenagelt mit kostbaren Steinen. Er lenkte unsere Blicke auf eine zarte Aedicula mit zwei Säulchen aus Gold und Lapislazuli, die eine in flachem Silberrelief ausgeführte Grablegung umrahmten, überdacht von einem Giebelfeld voller Achate und Rubine, das Ganze gekrönt von einem goldenen Kreuz mit dreizehn Diamanten auf farbigem Onyx. Auch sah ich ein chryselephantines Diptychon, fünfteilig mit fünf Szenen aus dem Leben Jesu, in der Mitte ein Agnus Dei in getriebenem Silber, vergoldet und mit Glasfarben bemalt, einziges polychromes Bildnis auf einem wachsweißen Grunde.
    Nicolas strahlte, seine Augen leuchteten vor Stolz, während er uns all diese Dinge zeigte. William äußerte ein paar lobende Worte. Dann fragte er unvermittelt, was für ein Mensch Malachias gewesen sei.
    »Komische Frage«, sagte Nicolas. »Du hast ihn doch selber gekannt.«
    »Ja schon, aber nicht gut genug. Mir ist nie klargeworden, was für Gedanken er verbarg und …« – er zögerte, als scheute er sich, über den jüngst Verstorbenen zu urteilen – »ob er überhaupt welche hatte.«
    Nicolas befeuchtete sich einen Finger, fuhr über eine nicht ganz glattgeschliffene Kristalloberfläche und sagte mit verhaltenem Lächeln, ohne William anzusehen: »Siehst du, du brauchst gar nicht zu fragen … Ja, es stimmt, viele hielten Malachias für sehr gedankenvoll, aber in Wirklichkeit war er ein recht einfältiges Gemüt. Alinardus zufolge war er ein Hohlkopf.«
    »Alinardus hegt irgendeinen Groll auf jemanden wegen einer alten Geschichte, bei der ihm anscheinend die Würde des Bibliothekars verweigert worden ist …«
    »Ja, auch ich habe davon reden gehört, aber das ist wirklich eine sehr alte Geschichte, das muß mindestens fünfzig Jahre her sein. Als ich in die Abtei kam, war Robert von Bobbio Bibliothekar, und die Alten munkelten etwas von einem Unrecht, das Alinardus angetan worden sei. Ich wollte der Sache damals nicht nachgehen, es schien mir respektlos gegenüber den Älteren, und außerdem wollte ich nicht auf Gerüchte hören. Robert hatte einen Gehilfen, der dann starb, und da wurde Malachias, der damals noch sehr jung war, zu seinem Nachfolger ernannt. Viele fanden das schlecht und sagten, er hätte den Posten überhaupt nicht verdient, er könne gar kein Griechisch und Arabisch, er behaupte das nur, aber das sei nicht wahr, er sei bloß ein geschickter Imitator, der die fremden Handschriften sehr schön kopieren könne, doch ohne zu wissen, was er da eigentlich kopierte. Ein Bibliothekar, so hieß es, müsse sehr viel gelehrter sein. Besonders bittere

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