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Der Name der Rose

Der Name der Rose

Titel: Der Name der Rose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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die Gebete käme, so daß sie gesund wurden, ohne allzusehr auf die Medikamente zu achten. Außerdem hat der Körper, wenn die Seele auf rechte Weise zum Vertrauen in die fromme Formel gebracht wird, mehr Aufnahmebereitschaft für die heilende Wirkung der Medikamente. Oft jedoch müssen die Schätze der Wissenschaft nicht so sehr vor den Laien verborgen werden als vielmehr vor den anderen Wissenschaftlern. Heutzutage werden Wundermaschinen gebaut, von denen ich dir eines Tages erzählen werde, Wundermaschinen, sage ich dir, mit denen man effektiv und realiter den Lauf der Natur zu ändern vermag. Doch wehe, wenn sie in die Hände von Leuten fallen, die sie zur Ausweitung ihrer irdischen Macht benutzen oder zur Befriedigung ihrer Besitzgier! In Kathai, so ist mir berichtet worden, soll es einem Weisen gelungen sein, ein Pulver herzustellen, das bei Berührung mit Feuer einen gewaltigen Knall und eine große Flamme hervorbringt und alle Dinge im Umkreis von vielen Klaftern zerstört. Ein treffliches Mittel, wenn es zur Urbarmachung des Bodens benutzt wird, etwa um Flüsse umzuleiten oder um Felsbrocken zu zertrümmern. Was aber, wenn es jemand benutzt, um seinen persönlichen Feinden zu schaden?«
    »Das wäre vielleicht gar nicht so schlecht, wenn es sich um Feinde des Gottesvolkes handelt«, meinte Nicolas fromm.
    »Ja, vielleicht«, nickte William. »Aber wer ist heute der Feind des Gottes Volkes? Ludwig der Kaiser oder Johannes der Papst?«
    »Oh Gott, nein!« rief Nicolas erschrocken aus. »So was Schwieriges möchte ich nicht entscheiden müssen!«
    »Siehst du?« sagte William. »Manchmal ist es ganz gut, wenn gewisse Geheimnisse unter okkulten Reden verborgen bleiben. Die Geheimnisse der Natur werden nicht in Ziegen- und Rinderhäuten aufbewahrt. Aristoteles sagt im Buch der verborgenen Dinge, wenn man zu viele Geheimnisse der Natur und der Kunst verrät, zerbricht ein himmlisches Siegel, und viele Übel könnten die Folge sein. Das soll nun gewiß nicht heißen, daß die Geheimnisse niemals aufgedeckt werden dürften, wohl aber, daß es allein den Wissenden und Gelehrten zukommt, über das Wie und Wann zu entscheiden.«
    »Und deswegen ist es gut, daß an Orten wie diesem hier«, sagte Nicolas, »nicht alle Bücher für jedermann zugänglich sind.«
    »Das ist nun wieder etwas ganz anderes«, widersprach William. »Man kann durch zu große Geschwätzigkeit sündigen und durch zu große Zurückhaltung. Ich wollte nicht sagen, daß die Quellen der Wissenschaft unter Verschluß bleiben müßten. Im Gegenteil, das wäre sogar ein großes Übel. Ich wollte sagen, daß bei Geheimnissen, aus denen sich Gutes wie Böses ergeben kann, der Gelehrte das Recht und die Pflicht hat, sich einer dunklen Sprache zu bedienen, die nur seinesgleichen verständlich ist. Die Wege der Wissenschaft sind verschlungen, und es ist schwierig, die guten von den bösen zu unterscheiden. Und oft sind die Gelehrten unserer Tage nur Zwerge auf den Schultern von Zwergen.«
    Die liebenswürdige Unterhaltung mit meinem klugen Meister hatte den guten Nicolas wohl zu Vertraulichkeiten ermuntert, jedenfalls zwinkerte er ihm zu (wie um zu sagen: wir beide verstehen uns, wir sprechen von denselben Dingen) und sagte mit einem Seitenblick zum Aedificium hinüber: »Dort oben sind die Geheimnisse der Wissenschaft gut geschützt durch allerlei raffinierten Zauber …»
    »Ach ja?« meinte William mit gespielter Gleichgültigkeit. »Du meinst sicher verriegelte Türen, strenge Verbote, Drohungen und dergleichen?«
    »Oh nein, mehr …«
    »Was zum Beispiel?«
    »Nun ja, ich weiß nicht genau, ich beschäftige mich mit Gläsern und nicht mit Büchern, aber in der Abtei erzählt man sich … seltsame Geschichten.«
    »Was für welche?«
    »Seltsame eben. Zum Beispiel von einem Mönch, der sich nachts in die Bibliothek wagte, um ein Buch zu suchen, das Malachias ihm nicht geben wollte, und der dann auf einmal Schlangen und Männer ohne Köpfe und Männer mit zwei Köpfen sah. Fast wäre der Ärmste verrückt geworden in dem Labyrinth …«
    »Warum sprichst du bei diesen Dingen von Zauberei und nicht von teuflischen Erscheinungen?«
    »Ich bin zwar ein ungebildeter Handwerker, aber so ungebildet bin ich nun auch wieder nicht. Der Teufel (Gott schütze uns!) würde doch einen Mönch nicht mit Schlangen und zweiköpfigen Männern in Versuchung fuhren. Allenfalls mit lasziven Visionen, wie er es bei den heiligen Vätern in der Wüste getan hat. Und außerdem,

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