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Der Name der Rose

Der Name der Rose

Titel: Der Name der Rose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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Inschriften, nicht sehr viele, mit roter Farbe ausgemalt waren statt mit schwarzer.
    Nach einer Weile gelangten wir plötzlich wieder in den siebeneckigen Innenraum (er war leicht wiederzuerkennen, da in ihm die Treppe aus dem Skriptorium endete). So beschlossen wir, es mit der vierten Tür zu versuchen und möglichst geradlinig durch die Räume zu gehen. Wir durchquerten drei Räume und standen im vierten vor einer Wand. Der einzige Durchgang führte seitlich in einen Raum, der gleichfalls nur seitlich eine weitere Tür hatte. Danach konnten wir vier weitere Räume geradewegs durchqueren, bis wir erneut vor einer Wand standen. Wir kehrten in das davorliegende Zimmer zurück, in dem wir seitlich eine zweite Tür gesehen hatten, gelangten durch diese in ein neues Zimmer und fanden uns plötzlich wieder in dem siebeneckigen Treppenraum.
    »Wie hieß das letzte Zimmer, durch das wir vorhin hierher zurückgekommen waren?« fragte William.
    Ich dachte angestrengt nach. » Equus albus 48 , glaube ich.«
    »Gut, suchen wir es!« Es war leicht zu finden. Wir wollten jedoch nicht noch einmal den gleichen Weg zurückgehen, sondern wählten von hier aus den Durchgang zu einem Raum namens Gratia vobis et pax 49 , in dem wir rechts einen weiteren Durchgang fanden, der uns nicht an unseren Ausgangspunkt zurückbrachte. Zunächst fanden wir noch einmal In diebus illis und Primogenitus mortuorum (waren es dieselben Räume wie vorhin?), aber schließlich standen wir in einem Raum, den wir bestimmt noch nicht gesehen hatten. Die Inschrift hieß Tertia pars terrae combusta est 50 . Doch nun wußten wir nicht mehr, wo wir uns im Verhältnis zum Ostturm befanden.
    Ich hielt die Lampe hoch und trat in den nächsten Raum. Ein Riese von gewaltiger Größe, die Glieder verschwommen und fließend wie bei einem Gespenst, trat mir entgegen.
    »Ein Teufel!« schrie ich entsetzt, und fast wäre mir die Lampe entfallen, als ich zurückfuhr und mich in Williams Arme flüchtete. Der nahm mir die Lampe aus der Hand, schob mich beiseite und ging mit einer Beherztheit, die mir fast übermenschlich erschien, durch die Tür. Auch er mußte etwas erblickt haben, denn plötzlich verharrte er reglos. Dann aber ging er weiter, hob die Lampe und lachte laut auf.
    »Wirklich genial. Ein Spiegel!«
    »Ein Spiegel?«
    »Ja, mein wackerer Krieger. Vorhin im Skriptorium hast du dich todesmutig auf einen wirklichen Feind gestürzt, und jetzt erschrickst du vor deinem eigenen Abbild. Ein Spiegel hat dir dein eigenes Abbild verzerrt und vergrößert zurückgeworfen.«
    Er nahm mich bei der Hand und führte mich vor die Wand gegenüber dem Eingang jenes Raumes. In einem mannshohen Spiegel mit unregelmäßig gewellter Oberfläche erblickte ich unsere Gestalten, grotesk verzerrt und von wechselnder Form und Größe, je nachdem, ob wir vor- oder zurücktraten.
    »Du solltest gelegentlich einen Traktat über Optik lesen«, sagte William heiter, »wie es die Gründer dieser Bibliothek zweifelsohne getan haben. Die besten sind auch hier wieder die arabischen. Von Alhazen gibt es einen Traktat De aspectibus , in dem mit genauen geometrischen Demonstrationen die verschiedenen Möglichkeiten der Spiegel dargelegt werden. Je nachdem, wie die Oberfläche geformt ist, können manche Spiegel kleine Dinge vergrößern (und was tun meine Linsen anderes?), manche zeigen die Dinge verkehrt herum oder schief, andere wiederum zeigen alles verdoppelt, zwei Gegenstände statt einem oder vier statt zweien. Andere schließlich, wie dieser hier, machen aus einem Zwerg einen Riesen oder aus einem Riesen einen Zwerg.«
    »Jesus Domine Nostrum!« rief ich aus. »Sind das vielleicht die Visionen, die manche in der Bibliothek gesehen haben wollen?«
    »Möglich. Die Idee ist jedenfalls genial.« William las die Inschrift über dem Spiegel: » Super thronos viginti quatuor . Das haben wir schon einmal gesehen, aber es war in einem Raum ohne Spiegel. Und dieser hier hat außerdem kein Fenster, aber er ist nicht siebeneckig. Wo sind wir?« Er schaute sich um und trat an einen der Schränke. »Adson, ohne meine verflixten oculi ad legendum kann ich nicht lesen, was auf diesen Büchern steht. Lies mir ein paar Titel vor.«
    Ich nahm aufs Geratewohl ein Buch heraus. »Meister, da steht nichts geschrieben.«
    »Wieso, ich sehe doch, daß da etwas geschrieben steht, lies es mir vor!«
    »Ich lese nichts. Das ist keine Schrift, auch nicht Griechisch, das würde ich erkennen. Das sieht aus wie Würmer,

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