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Der Name Des Windes

Der Name Des Windes

Titel: Der Name Des Windes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Rothfuss
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willst immer noch fort?«, fragte sie.
    Ich nickte.
    »Du könntest auch mit uns nach Anilin kommen«, schlug sie vor. »Man sagt, die Straßen seien dort mit Gold gepflastert. Du könntest Josn Lautenunterricht erteilen.« Sie lächelte. »Ich habe ihn gefragt, und er sagt, er hätte nichts dagegen.«
    Ich überlegte. Einen halben Herzschlag lang hätte ich fast meinen ganzen Plan über den Haufen geworfen, nur um noch ein wenig länger mit ihr zusammen zu sein. Doch dieser Moment verstrich, und ich schüttelte den Kopf.
    »Guck nicht so«, schalt sie lächelnd. »Ich bin noch eine Weile hier, falls es hier nicht gut für dich läuft.«
    Ich hatte keine Ahnung, was ich tun sollte, wenn es hier nicht gut für mich lief. Ich setzte alle meine Hoffnungen auf die Universität. Und außerdem war Anilin Hunderte Meilen entfernt. Und mir gehörten kaum die Kleider, die ich am Leibe trug. Wie sollte ich sie finden?
    Denna las mir diese Gedanken offenbar vom Gesicht ab. Sie lächelte neckisch. »Tja, ich glaube, dann werde wohl ich Ausschau nach dir halten müssen.«
    Wir Ruh sind Reisende. Unser Leben besteht aus Begegnungen und Trennungen und kurzen, schönen Bekanntschaften dazwischen. Deshalb kannte ich die Wahrheit. Sie ballte sich als Gewissheit in meiner Brust: Ich würde sie nie wiedersehen.
    Bevor ich etwas sagen konnte, blickte sie sich nervös um. »Ich sollte jetzt gehen. Halte Ausschau nach mir.« Sie ließ noch einmal ihr verschmitztes Lächeln aufleuchten, wandte sich dann ab und ging davon.
    »Das werde ich!«, rief ich ihr nach. »Wir sehen uns wieder!«
    Sie sah sich noch einmal zu mir um, zögerte kurz, winkte und lief dann im Abendlicht davon.

Kapitel 36
    Minus-Talente

    I ch schlief in dieser Nacht draußen, vor den Toren von Imre, auf einem weichen Bett aus Heidekraut. Am nächsten Morgen wusch ich mich an einem nahen Bach und machte mich dann auf den Weg zur Universität.
    Während ich so ging, hielt ich am Horizont Ausschau nach dem höchsten Gebäude. Von Ben wusste ich, wie es aussah: ein grauer, gesichtsloser Quader, größer als vier Kornspeicher übereinander. Keine Fenster, keine Verzierungen und nur ein großes Steintor. Zehn mal zehntausend Bücher. Die Bibliothek.
    Ich kam aus vielen Gründen an die Universität, aber dies war der Hauptgrund. Die Bibliothek barg Antworten, und ich hatte viele, viele Fragen. Zu allererst wollte ich die Wahrheit über die Chandrian und die Amyr erfahren. Ich musste herausfinden, wie viel von Skarpis Geschichte der Wahrheit entsprach.
    Über den Fluss Omethi schwang sich eine alte Steinbrücke. Ihr kennt diese Art von Brücken ja sicherlich. Riesenhafte Bauwerke, wie es sie auf der ganzen Welt gibt, so uralt und solide, dass sie zu einem Bestandteil der Landschaft geworden sind und niemand sich mehr fragt, wer sie wohl errichtet hat. Diese hier war besonders beeindruckend, über sechzig Meter lang und breit genug für zwei Fuhrwerke. Sie überspannte die Schlucht, die der Omethi in den Fels gewaschen hatte. Und vom Scheitelpunkt der Brücke aus erblickte ich zum ersten Mal die Bibliothek, die im Westen wie ein riesiger Graustein hinter dem Wald emporragte.

    Die Universität lag im Zentrum einer kleinen Stadt. Diese Stadt war jedoch ganz anders als Tarbean mit seinen gewundenen Gassen und dem ewigen Abfallgestank. Es war eher ein schmuckes Städtchen, die Straßen waren breit und die Luft rein. Zwischen den kleinen Häusern erstreckten sich Rasenflächen und Gärten.
    Doch da diese Stadt ganz den Bedürfnissen der Universität diente, stachen einige Besonderheiten ins Auge. So gab es hier beispielsweise zwei Glasbläsereien, drei bestens bestückte Apotheken, zwei Buchbindereien, vier Buchhandlungen, zwei Bordelle und eine wirklich unverhältnismäßig große Zahl von Schenken. Eine hatte am Eingang ein großes Holzschild mit der Aufschrift »KEINE SYMPATHIE!« Ich fragte mich, was nicht-arkane Gäste wohl von dieser Mahnung halten mochten.
    Die Universität selbst bestand aus gut fünfzehn Gebäuden, die nur wenig Ähnlichkeit miteinander hatten. Mews, der Studententrakt, bestand aus einem Zentrum mit rundem Grundriss und acht windrosenförmig davon ausgehenden Gebäudeflügeln. Das Hollows, das Gebäude der Meister, war ein schlichter Häuserblock mit Glasmalereifenstern, die Teccam in einer klassischen Pose zeigten: Er stand barfuß am Eingang seiner Höhle und sprach zu einer Gruppe Studenten. Das Hauptgebäude war das auffälligste: Es hatte eine

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