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Der Name Des Windes

Der Name Des Windes

Titel: Der Name Des Windes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Rothfuss
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Buchseite umgeblättert wurde. Ich empfand diese Stille nicht als störend, sondern eher als beruhigend.
    Schließlich entdeckte ich ein Buch mit dem Titel Das Paarungsverhalten des gemeinen Draccus und nahm es mit an einen der Lesetische. Es gefiel mir, weil auf dem Umschlag ein prächtiger Drache prangte, doch als ich zu lesen begann, stellte ich fest, dass es sich um eine gelehrte Untersuchung einiger weit verbreiteter Mythen handelte.
    Ich hatte das erste Kapitel halb durch, in dem erklärt wurde, dass der Mythos des Drachen aller Wahrscheinlichkeit nach auf dem viel profaneren Draccus beruhte, als ein Bibliothekar an meiner Seite auftauchte. »Kvothe?« Ich nickte, und er reichte mir ein kleines Buch mit blauem Leineneinband.
    Als ich es aufschlug, war ich enttäuscht. Es war eine Märchensammlung. Ich blätterte es durch, in der Hoffnung, irgendetwas Nützliches zu finden, aber es enthielt nur süßliche Abenteuergeschichten, die zur Unterhaltung von Kindern bestimmt waren. Man kennt das ja: Tapfere Waisen überlisten die Chandrian, erringen Reichtümer und heiraten Prinzessinnen, und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute.
    Ich seufzte und schlug das Buch wieder zu. Ich hatte fast so etwas erwartet. Bis die Chandrian meine Familie ermordeten, hatte ich sie auch für weiter nichts als Märchengestalten gehalten. Diese Art der Recherche brachte mich nicht weiter.
    Ich ging zurück zur Bestellannahme und überlegte lange, ehe ich einen neuen Eintrag in das Buch schrieb: »Kvothe – Die Geschichte des Amyr-Ordens. Die Herkunft der Amyr. Die Bräuche der Amyr.« Ich war am Ende der Zeile angelangt, und statt eine neue Zeile zu beginnen, hielt ich inne und sah den Bibliothekar an, der hinter dem Pult stand. »Ich nehme alles über die Amyr«, sagte ich.
    »Wir haben gerade sehr viel zu tun«, sagte er mit Blick auf den Saal. Seit meiner Ankunft war ein gutes Dutzend weiterer Studenten hereingekommen. »Aber sobald wir dazu kommen, bringen wir dir etwas.«
    Ich kehrte an den Tisch zurück, blätterte noch einmal in dem Kinderbuch und widmete mich dann wieder dem Bestiarium. Diesmal musste ich länger warten, und ich las gerade etwas über den seltsamen Sommerschlaf der Susquiner, als ich eine leichte Berührung an meiner Schulter spürte. Ich sah mich um, erwartete, einen Bibliothekar mit einem Arm voller Bücher zu sehen, oder vielleicht Basil, der gekommen war, um Hallo zu sagen. Daher erschreckte mich der Anblick Meister Lorrens, der in seinem dunklen Talar vor mir aufragte.
    »Komm mit«, sagte er leise und gab mir einen Wink.
    Ohne zu wissen, worum es ging, folgte ich ihm aus dem Lesesaal hinaus. Wir gingen hinter der Bestellannahme eine Treppe hinunter in einen kleinen, unscheinbaren Raum, in dem ein Tisch und zwei Stühle standen. In der Bibliothek gab es viele solche kleine Zimmer, in denen die Mitglieder des Arkanums ungestört studieren konnten.
    Lorren legte das Bestellbuch auf den Tisch. »Mir ist deine Bestellung aufgefallen, als ich einem der neueren Bibliothekare zur Hand ging«, sagte er. »Du interessierst dich für die Chandrian und die Amyr?«
    Ich nickte.
    »Hat das etwas mit einer Aufgabe für einen deiner Lehrer zu tun?«
    Einen Moment lang war ich drauf und dran, ihm die Wahrheit zu sagen. Das, was mit meiner Familie geschehen war. Die Geschichte, die ich in Tarbean gehört hatte.
    Manets Reaktion darauf, als ich die Chandrian erwähnt hatte, hatte mir jedoch gezeigt, wie töricht das gewesen wäre. Bevor ich die Chandrian mit eigenen Augen gesehen hatte, hatte ich auch nicht an sie geglaubt. Wenn jemand behauptet hätte, sie gesehen zu haben, hätte ich ihn für verrückt gehalten.
    Lorren hätte bestenfalls geglaubt, dass ich an Wahnvorstellungen litt, und schlimmstenfalls, dass ich ein dummer kleiner Junge wäre. Ich war mir mit einem Mal sehr bewusst, dass ich mich hier an einem Eckpfeiler der Zivilisation befand und mit dem leitenden Bibliothekar der Universität sprach.
    Das rückte die Dinge in ein anderes Licht. Die Erzählungen eines alten Mannes in einer Hafenschenke waren mit einem Mal ganz weit weg und vollkommen belanglos.
    Ich schüttelte den Kopf. »Nein, Sir. Es ist bloß Neugier.«
    »Ich habe großen Respekt vor Neugier«, sagte Lorren in ausdruckslosem Ton. »Vielleicht kann ich deine Neugier stillen. Die Amyr waren ein Teil der Kirche, als das Aturische Reich noch stark und mächtig war. Ihr Credo lautete: Ivare Enim Euge  – was sich grob mit ›zur

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