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Der Name Des Windes

Der Name Des Windes

Titel: Der Name Des Windes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Rothfuss
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Sonnenstandes messen und ihnen daher jegliches Gespür für Pünktlichkeit abgeht. Doch da du nicht aus Yll stammst, kann ich für dein Zuspätkommen keine Rechtfertigung erkennen. Und du?«
    Basil bewegte stumm den Mund, als wollte er eine Entschuldigung formulieren, überlegte es sich dann aber offenbar anders. »Nein, Sir.«
    »Gut. Du hältst morgen ein Referat über den Mondkalender von Yll – verglichen mit dem genaueren, zivilisierten aturischen Kalender, mit dem du mittlerweile vertraut sein solltest. Setzen.«
    Basil schlich wie ein geprügelter Hund zum nächstbesten Sitz.
    Hemme tat nun nicht einmal mehr so, als würde er mit dem Unterricht beginnen, und lauerte nur noch auf den nächsten verspäteten Studenten. Daher herrschte gespannte Stille im Saal, als sie zögernd hereinkam.
    Es war eine junge Frau von etwa achtzehn Jahren. Gewissermaßen eine Rarität. Der Frauenanteil der Studentenschaft lag bei nur etwa zehn Prozent.
    Hemme setzte ein Lächeln auf und eilte die Treppe empor, ihr entgegen. »Oh, meine Liebe, nun freut es mich doch sehr, dass wir mit dem heutigen Unterricht noch nicht begonnen haben.« Er geleitete sie am Ellenbogen einige Treppenstufen hinab zu einem freien Platz.
    Seine Aufmerksamkeit brachte sie offensichtlich in Verlegenheit. »Es tut mir sehr Leid, Meister Hemme. Das Hauptgebäude ist größer, als ich dachte.«
    »Kein Problem«, sagte Hemme freundlich. »Jetzt bist du hier, und allein darauf kommt es an.« Er versorgte sie noch mit Papier und Tinte und kehrte erst dann aufs Podium zurück.
    Dort angelangt, schien es, als würde er nun tatsächlich mit seinem Vortrag beginnen. Doch dann sah er sich doch noch einmal zu dem Mädchen um. »Verzeihung, Miss.« Sie war die einzige Frau im Saal. »Wo habe ich nur meine Manieren? Wie heißt du?«
    »Ria.«
    »Ria – ist das eine Kurzform von Rian?«
    »Ja, das ist es«, sagte sie mit einem Lächeln.
    »Rian, würdest du bitte die Beine übereinander schlagen?«
    Diese Aufforderung erfolgte in so strengem Ton, dass dem Saal nicht einmal ein Kichern entwich. Rian blickte verblüfft und schlug die Beine übereinander.
    »Da die Pforten der Hölle nunmehr verschlossen sind«, sagte Hemme in seinem normalen, schrofferen Ton, »können wir beginnen.«
    Und das tat er dann tatsächlich und beachtete sie den ganzen Vortrag über nicht mehr, meinem Empfinden nach eher aus Versehen als aus Freundlichkeit.
    Es waren lange zweieinhalb Stunden. Ich hörte aufmerksam zu, immer in der Hoffnung, dass er etwas erwähnen würde, was ich nicht schon von Abenthy erfahren hatte. Doch dazu kam es nicht. Bald wurde mir klar, dass Hemme zwar durchaus über die Grundlagen der Sympathie sprach, das jedoch auf einem sehr, sehr einfachen Niveau. Dieses Seminar war für mich reine Zeitverschwendung.
    Nach dem Ende der Veranstaltung lief ich die Treppe hinab und fing ihn ab, als er gerade durch eine Hintertür hinausgehen wollte. »Meister Hemme?«
    Er sah sich zu mir um. »Oh, unser Wunderkind. Ich wusste ja gar nicht, dass du an meinem Seminar teilnimmst. Es ging dir doch hoffentlich heute nicht zu schnell, oder?«
    Ich hütete mich, die Frage aufrichtig zu beantworten. »Ihr habt die Grundlagen wirklich sehr klar und deutlich dargelegt, Sir. Das wird den anderen Studenten einen ausgezeichneten Grundstock anKenntnissen liefern.« Diplomatie lernt man bei einer Theatertruppe schon als Kind.
    Er nahm es als Kompliment und blies sich ein wenig auf. Dann stutzte er. »Den anderen Studenten?«
    »Ich fürchte, die Grundlagen sind mir bereits vertraut, Sir. Ich kenne die drei Gesetze, die vierzehn Korollarien und auch die ersten neunzig –«
    »Ja, ja, ich verstehe«, schnitt er mir das Wort ab. »Ich habe jetzt zu tun. Wir können morgen darüber sprechen, vor dem Seminar.« Er machte kehrt und ging eiligen Schrittes davon.
    Ich machte mich achselzuckend auf den Weg zur Bibliothek. Wenn ich aus Hemmes Vorträgen nichts lernte, konnte ich ebenso gut anfangen, mich selbst fortzubilden.

    Als ich diesmal die Bibliothek betrat, saß eine junge Frau am Empfang. Sie war wunderschön, hatte langes, dunkles Haar und strahlende Augen. Eine eindeutige Verbesserung gegenüber Ambrose.
    Sie lächelte, als ich näher trat. »Wie ist dein Name?«
    »Kvothe«, sagte ich. »Sohn des Arliden.«
    Sie nickte und blätterte im Register.
    »Und wie heißt du?«, fragte ich, um das Schweigen zu überbrücken.
    »Fela«, sagte sie, ohne hochzusehen. Dann nickte sie. »Da bist du ja.

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