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Der Name Des Windes

Der Name Des Windes

Titel: Der Name Des Windes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Rothfuss
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Talar anziehen.« Allgemeines Gelächter.
    Ich hob die Hand, um sie zum Schweigen zu bringen, und war erstaunt, wie schnell es mir gelang. »Von der Umsetzbarkeit einmal abgesehen – nehmen wir einmal an, wir tun all das. Ein vollständig gekleideter, meisterhaft geschnitzter Meister Hemme steht in voller Lebensgröße neben mir.« Ich machte eine Geste. »Selbst nach all diesen Mühen könnte man bestenfalls auf eine zehn- bis fünfzehnprozentige sympathetische Verbindung hoffen. Nicht sehr gut, wirklich nicht sehr gut.
    Das bringt mich zum zweiten Gesetz, der Blutsverwandtschaft. Das kann man sich am einfachsten so vorstellen: ›Einmal vereint, immer vereint.‹ Meister Hemmes Großzügigkeit ist es zu verdanken, dass ich über ein Haar von ihm verfüge.« Ich hielt es empor und steckte es der Puppe dann mit feierlicher Geste in den Kopf. »Und so einfach haben wir nun eine sympathetische Verbindung mit einem Wirkungsgrad von dreißig bis fünfunddreißig Prozent.«
    Ich hatte Hemme im Blick behalten. Hatte er zunächst ein wenig argwöhnisch gewirkt, war er nun wieder in sein selbstgefälliges Grinsen verfallen. Ihm war klar, dass mir ohne die entsprechende Verbindung und ohne das entsprechende Alar alles Wachs und alles Haar der Welt nichts nützen würde.
    Da ich nun sicher war, dass er mich für einen Dummkopf hielt, wies ich auf die Kerze und fragte ihn: »Gestattet Ihr, Meister?« Er tates mit großmütiger Geste, lehnte sich auf seinem Sitz zurück und verschränkte die Arme vor der Brust.
    Ich kannte natürlich die Verbindung. Und ich hatte es ihm gesagt. Ben hatte mich im Alter von zwölf Jahren in das Alar eingewiesen.
    Ich hielt mich jedoch weder mit dem einen noch mit dem anderen auf. Vielmehr hielt ich einen Fuß der Puppe in die Kerzenflamme, die daraufhin zu qualmen begann.
    Gespannte Stille im Saal, und alle reckten sich vor, um einen Blick auf Meister Hemme zu erhaschen.
    Der zuckte die Achseln und gab sich erstaunt. Dabei erinnerte sein Blick jedoch an eine Falle, die kurz davor stand zuzuschnappen. Ein Grinsen zog an einem Mundwinkel, und er begann sich zu erheben. »Ich spüre nichts. Was –«
    »Ganz genau«, sagte ich wie mit einem Peitschenknall und zog damit die Aufmerksamkeit der Studenten wieder auf mich. »Und woran liegt das?« Ich sah mich erwartungsvoll im Auditorium um.
    »Der Grund ist das dritte Gesetz, das ich angesprochen habe. Die Erhaltung. ›Energie lässt sich weder erschaffen noch vernichten.‹ Wenn ich unserem hochgeschätzten Lehrer eine Kerze unter den Fuß hielte, würde sehr wenig geschehen. Und da nur etwa dreißig Prozent der Hitze übertragen werden, bekommen wir nicht einmal dieses geringe Ergebnis.«
    Ich hielt kurz inne, damit sie ein wenig darüber nachdenken konnten. »Das ist das Grundproblem der Sympathie: Woher bekommt man die Energie? In diesem Fall jedoch liegt die Antwort auf der Hand.«
    Ich blies die Kerze aus und steckte sie an dem Kohlenbecken erneut in Brand. Dann flüsterte ich die wenigen Worte, die nötig waren. »Indem wir eine zweite sympathetische Verbindung herstellen, zwischen der Kerze und einem größeren Feuer, …« Ich teilte meinen Geist in zwei Hälften auf, und die eine verband Hemme mit der Puppe, die zweite die Kerze mit dem Kohlenbecken. »… erhalten wir die gewünschte Wirkung.« Dann hielt ich den Fuß der Wachspuppe ganz beiläufig an die heißeste Stelle der Kerzenflamme – zwei Zentimeter über dem Docht.
    Hemme schrie erschrocken auf.
    Ohne in seine Richtung zu sehen, sprach ich weiter in knochentrockenem Ton zum Auditorium. »Offenbar hat es diesmal funktioniert.« Großes Gelächter.
    Ich blies die Kerze aus. »Das ist auch ein gutes Beispiel für die Macht, über die ein fähiger Sympathiker gebietet. Stellt euch vor, was passieren würde, wenn ich diese Puppe nun ins Feuer werfen würde.« Ich hielt sie über das Kohlenbecken.
    Auf dieses Stichwort hin stürmte Hemme aufs Podium. Ich mag mir das eingebildet haben, aber mir kam es so vor, als schonte er seinen linken Fuß dabei ein wenig.
    »Wie es aussieht, möchte Meister Hemme den Unterricht ab jetzt wieder selbst übernehmen.« Gelächter im Saal, noch lauter als zuvor. »Ich bedanke mich. Hiermit ist mein bescheidener Vortrag beendet.«
    In diesem Moment griff ich zu einem alten Theatertrick. Es gibt einen bestimmten Tonfall und eine bestimmte Körpersprache, die dem Publikum signalisiert, dass es nun applaudieren möge. Ich kann nicht erklären, wie das

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