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Der Name Des Windes

Der Name Des Windes

Titel: Der Name Des Windes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Rothfuss
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gleich.
    Und außerdem kann einen Wut nachts warm halten, und verletzter Stolz kann einen Mann zu wahren Wundertaten anstacheln.

Kapitel 38
    Sympathie im Hauptgebäude

    D as Hauptgebäude war das älteste der Universität. Im Laufe der Jahrhunderte war es langsam in alle Himmelsrichtungen gewuchert und hatte sich dabei kleinere Häuser und Höfe einverleibt. Es sah aus wie eine steinerne Flechte, die so viel Fläche wie nur möglich zu bedecken suchte.
    Es war nicht leicht, sich dort zurechtzufinden. Flure machten seltsame Schlenker oder endeten unerwartet als Sackgasse. Es konnte durchaus schon einmal zwanzig Minuten dauern, von einem Raum zum anderen zu gelangen, obwohl die beiden nur zwanzig Meter auseinander lagen. Erfahrenere Studenten kannten natürlich Schleichwege und wussten, welche Arbeitsräume und Hörsäle man durchqueren musste, um zu seinem Ziel zu gelangen.
    Zumindest einer der Höfe war mittlerweile vollkommen abgeschnitten und ließ sich nur erreichen, indem man aus einem Fenster stieg. Und es ging das Gerücht, dass es Räume gab, die vollkommen zugemauert waren, und in einigen davon befänden sich noch Studenten. Angeblich spukten ihre Geister des Nachts durch die Korridore, bejammerten ihr Schicksal und beklagten sich über das Essen in der Mensa.
    Mein erstes Seminar fand im Hauptgebäude statt. Glücklicherweise hatten mich meine Schlafsaalgenossen vor der Undurchschaubarkeit des Gebäudes gewarnt, und so verlief ich mich zwar, traf aber dennoch rechtzeitig ein.
    Als ich den Raum endlich gefunden hatte, sah ich zu meinem Erstaunen, dass er einem kleinen Theater ähnelte. Sitzreihen erhoben sich im Halbkreis um eine kleine Bühne. In größeren Städten warmeine Truppe in ähnlichen Sälen aufgetreten. Dieser Gedanke wirkte tröstlich, und ich setzte mich auf einen Platz in einer der hinteren Reihen.
    Im Geiste ging ich noch einmal die ersten dreißig sympathetischen Verbindungen durch, während sich der Saal allmählich mit Studenten füllte. Sie waren alle mindestens ein paar Jahre älter als ich. Insgesamt waren es etwa fünfzig, und der Hörsaal war nun zu drei Vierteln gefüllt. Einige Studenten hatten Federn und Papier dabei, andere Wachstafeln. Ich hatte nichts mitgebracht, aber das bereitete mir keine allzu großen Sorgen. Ich hatte schon immer ein ausgezeichnetes Gedächtnis gehabt.
    Meister Hemme kam herein und trat auf dem Podium hinter einen großen, steinernen Arbeitstisch. In seinem dunklen Talar sah er beeindruckend aus, und binnen Sekunden war das Geflüster der Studenten verstummt.
    »Ihr wollt also Arkanisten werden?«, sagte er. »Ihr wollt Magie, wie ihr sie aus Gutenachtgeschichten kennt. Ihr kennt die Lieder über Taborlin den Großen. Flammenwände, magische Ringe, Tarnkappen, Schwerter, die nie stumpf werden, Zaubertränke, die euch fliegen lassen.« Er schüttelte angewidert den Kopf. »Also, wenn es das ist, worauf ihr aus seid, dann könnt ihr jetzt gehen, denn das werdet ihr hier nicht bekommen. So etwas gibt es nicht.«
    In diesem Augenblick kam ein Student herein. Ihm wurde klar, dass er sich verspätet hatte, und er schlüpfte schnell auf einen freien Platz. Hemme entdeckte ihn dennoch. »Hallo, schön, dass du doch noch kommst. Wie ist der werte Name?«
    »Gel«, antwortete der Junge ängstlich. »Es tut mir Leid. Ich hatte Schwierigkeiten …«
    »Gel«, fiel Hemme ihm ins Wort. »Worum geht es hier?«
    Gel starrte ihn einen Moment lang verblüfft an und sagte dann: »Um die Grundlagen der Sympathie?«
    »Ich dulde keine Verspätungen. Für morgen bereitest du ein Referat vor über die Entwicklung der Sympathie-Uhr und die Unterschiede zu früheren, ungenaueren Uhren, die auf periodischen Schwingungen beruhten.«
    Der Junge wand sich auf seinem Sitz. »Jawohl, Sir.«
    Hemme schien mit der Reaktion zufrieden. »Ausgezeichnet. Also: Was ist denn nun Sympathie?«
    Ein weiterer Junge eilte herein, einen Block Papier in der Hand. Er war jung, sah höchstens zwei Jahre älter aus als ich. Hemme hielt ihn auf, ehe er es zu einem Sitz schaffte. »Hallo«, sagte er in übertrieben höflichem Ton. »Wer bist denn du?«
    »Basil, Sir.« Der Junge stand beklommen auf dem Gang. Ich erkannte ihn wieder. Ich hatte seine Zulassungsprüfung belauscht.
    »Basil, du stammst nicht zufällig aus Yll?«, fragte Hemme mit einem Grinsen.
    »Nein, Sir.«
    »Ahhh«, sagte Hemme mit gespielter Enttäuschung. »Ich habe nämlich gehört, dass einige Stämme dort die Zeit anhand des

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