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Der Name Des Windes

Der Name Des Windes

Titel: Der Name Des Windes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Rothfuss
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ganz genau«, sagte ich.
    »Was für ein Teufel hat dich denn geritten, dass du mit einer offenen Flamme da hineingegangen bist?«, fragte Simmon.
    »Ich konnte mir keine Handlampe leisten«, sagte ich. »Und da hat mir der Bibliothekar am Empfang statt dessen eine Kerze geschenkt.«
    »Das ist nicht wahr«, sagte Sim. »Kein Bibliothekar würde jemals …«
    »Warte mal«, sagte Manet. »War das ein dunkelhaariger Typ? Gut gekleidet? Markante Augenbrauen?« Er machte ein übertrieben finsteres Gesicht.
    Ich nickte. »Ambrose. Ich bin ihm gestern zum ersten Mal begegnet. Wir sind gleich aneinander geraten.«
    »Es ist schwierig, ihm aus dem Weg zu gehen«, sagte Manet vorsichtig und sah sich mit einem vielsagenden Blick zu den Umsitzenden um. Ich bemerkte, dass einige von ihnen beiläufig unserem Gespräch lauschten. »Jemand hätte dich vor ihm warnen sollen«, fügte er leiser hinzu.
    »Ach du meine Güte«, sagte Simmon. »Wenn man sich mit irgend jemandem nicht anlegen sollte, dann doch wohl mit dem.«
    »Jetzt ist es geschehen«, sagte ich. Ich fühlte mich schon wieder ein wenig besser und war nicht mehr ganz so benommen und erschöpft. Entweder ließen die Nebenwirkungen der Nahlwurz nach, oder mein Zorn verlieh mir frische Kraft. »Der wird mich noch kennenlernen. Und er wird sich wünschen, dass er mir nie begegnet wäre.«
    Simmon blickte ein wenig ängstlich. »Du solltest anderen Studenten nicht drohen«, sagte er und lachte auf, so als wäre meine Bemerkung scherzhaft gemeint gewesen. Leiser fügte er hinzu: »Du verstehst das nicht. Ambrose ist der Erbe einer Baronie in Vintas.« Er zögerte und sah zu Manet hinüber. »Wie soll ich das erklären?«
    Manet beugte sich vor und sprach nun ebenfalls in vertraulicherem Ton: »Er ist keiner der Adligen, die hier ein oder zwei Trimester lang ein bisschen herumalbern und dann wieder verschwinden. Er ist seit Jahren hier und hat sich den Re’lar redlich verdient. Und er ist auch nicht irgendein siebter Sohn. Er ist der Erstgeborene, der Erbe. Und sein Vater zählt zu den zwölf mächtigsten Männern von Vintas.«
    »Also eigentlich steht er auf Platz sechzehn«, sagte Sim sachlich-nüchtern. »Nach der königlichen Familie, den Prinzregenten, Maer Alveron, der Herzogin Samista, Aculeus und Meluan Lackless …« Manets Blick ließ ihn verstummen.
    »Er hat Geld«, sagte Manet einfach nur. »Und er hat die Freunde, die man sich mit Geld kaufen kann.«
    »Und Leute, die sich bei seinem Vater lieb Kind machen wollen«, fügte Simmon hinzu.
    »Er ist also«, sagte Manet ernst, »jemand, dem man besser nicht in die Quere kommen sollte. In seinem ersten Jahr hier hat sich ein Alchemist mit Ambrose angelegt. Ambrose hat von einem Geldverleiher in Imre seine Schulden übernommen. Und als der Mann nicht zahlen konnte, ließ er ihn in den Schuldturm werfen.« Manet riss sich ein Stück Brot ab und strich Butter drauf. »Als seine Familie ihn dann endlich freigekauft hatte, hatte sich der arme Kerl die Lungenschwindsucht geholt. Der Mann war ein Wrack. Der ist nie wieder hier aufgetaucht.«
    »Und die Meister ließen das einfach geschehen?«, fragte ich.
    »Das war alles vollkommen legal«, sagte Manet, immer noch leise. »Ambrose war nicht so dumm, die Schulden des anderen persönlich zu übernehmen. Er ließ das irgend einen Strohmann erledigen, sorgte aber dafür, dass alle wussten, dass er dahinter steckte.«
    »Und dann war da die Sache mit Tabetha«, sagte Sim nachdenklich. »Sie hat überall herumerzählt, Ambrose hätte ihr die Ehe versprochen. Und dann ist sie einfach verschwunden, wie vom Erdboden verschluckt.«
    Das erklärte, warum Fela ihn nicht abgewiesen hatte. Ich machte eine beschwichtigende Geste. »Ich drohe niemandem«, sagte ich und hob dabei die Stimme, so dass alle, die lauschten, es hören konnten. »Ich zitiere nur eine Stelle aus einem meiner Lieblingsdramen. Es ist aus dem vierten Akt von Daeonica , wo Tarsus sagt:
    Mit Hungersnot und Feuersbrunst werd ich ihn strafen,
    Bis seine Welt in Schutt und Asche liegt
    Und die Dämonenschar im Finstern staunend sieht,
    Dass auch ein Mensch Vergeltung üben kann.«
    Einen Moment lang herrschte verblüfftes Schweigen. Es breitete sich ein wenig weiter in der Mensa aus, als ich erwartet hatte. Offenbar hatte ich die Zahl derjenigen, die uns lauschten, unterschätzt. Dann widmete ich mich wieder meinem Essen und beschloss, es fürs Erste dabei bewenden zu lassen. Ich war erschöpft, und ich hatte

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