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Der Name Des Windes

Der Name Des Windes

Titel: Der Name Des Windes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Rothfuss
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der beiden herbei, riss mir die Kerze aus der Hand, löschte sie und sprenkelte mir dabei heißes Wachs auf die Hand. Er hätte nicht entsetzter blicken können, wenn er mich mit einem frisch abgetrennten Kopf in der Hand vorgefunden hätte.
    »Was machst du denn hier mit einer offenen Flamme?«, herrschte er mich in dem lautesten Flüsterton an, den ich je gehört hatte. Dann senkte er die Stimme und fuchtelte mit der gelöschten Kerze vor meiner Nase herum. »Beim verkohlten Leib Gottes! Bist du denn vollkommen übergeschnappt?«
    Ich rieb mir das heiße Wachs vom Handrücken und versuchte in dem Dunst aus Schmerz und Erschöpfung klar zu denken. Natürlich , dachte ich und erinnerte mich an das Lächeln, mit dem Ambrose mir die Kerze in die Hand gedrückt und mich dann ins Magazin bugsiert hatte. »Unser kleines Geheimnis.« Natürlich. Ich hätte es wissen müssen .

    Einer der Bibliothekare führte mich aus dem Magazin, und der andere lief los, um Meister Lorren zu holen. Als wir in den Vorraum traten, blickte Ambrose verwirrt. Er übertrieb es, aber auf den mich begleitenden Bibliothekar wirkte es überzeugend. »Was macht der denn hier?«
    »Wir haben ihn im Magazin entdeckt«, erklärte der Bibliothekar. »Mit einer Kerze.«
    »Was?« Ambrose blickte vollkommen entgeistert. »Also ich habe ihn nicht hereingelassen«, sagte er und schlug ein Verzeichnis auf. »Hier. Schau’s dir an.«
    Doch da stürzte schon Lorren herein. Sein sonst so gelassenes Gesicht war zornig und streng. Mir brach kalter Schweiß aus, und ich musste daran denken, was Teccam in seiner Theophanie geschrieben hatte: Dreierlei fürchtet der Weise: Die See bei Sturm, die mondlose Nacht und den Zorn eines sanftmütigen Mannes .
    Lorren ragte über dem Empfangspult auf. »Erklär mir das!«, herrschte er einen der Bibliothekare an.
    »Micah und ich sahen im Magazin ein flackerndes Licht und gingen hin, um zu sehen, ob jemand Schwierigkeiten mit seiner Lampehätte. Wir fanden ihn in der Nähe des südöstlichen Treppenhauses – und zwar damit.« Der Bibliothekar hielt die Kerze empor. Unter Lorrens Zornesblick zitterte ihm ein wenig die Hand.
    Lorren wandte sich zum Empfang um, wo Ambrose saß. »Wie konnte das geschehen, Re’lar?«
    Ambrose hob ratlos die Hände. »Er war vorhin hier und wollte rein, aber ich habe ihn nicht reingelassen, weil er nicht im Verzeichnis steht. Wir haben uns ein wenig gestritten. Fela hat das mitbekommen.« Er sah mich an. »Schließlich habe ich ihn fortgeschickt. Er muss sich hereingeschlichen haben, als ich kurz im Hinterzimmer war, um mir frische Tinte zu holen.« Ambrose zuckte die Achseln. »Oder er ist im Lesesaal bei der Bestellannahme durchgeschlüpft.«
    Ich stand wie vor den Kopf geschlagen da. Die geringen Anteile meines Geistes, die nicht bleiern vor Erschöpfung waren, waren von den fürchterlichen Schmerzen auf meinem Rücken absorbiert. »Das … das ist nicht wahr.« Ich sah zu Lorren empor. »Er hat mich reingelassen. Er hat Fela fortgeschickt, und dann hat er mich reingelassen.«
    »Was?« Ambrose starrte mich an, für einen Moment sprachlos. Bei allem Groll ihm gegenüber musste ich anerkennen, dass er eine meisterhafe Vorstellung ablieferte. »Warum um Gottes willen sollte ich so etwas tun?«
    »Weil ich dich vor Fela in Verlegenheit gebracht habe«, sagte ich. »Er hat mir auch die Kerze verkauft.« Ich schüttelte den Kopf, um ihn klarer zu bekommen. »Nein, er hat sie mir geschenkt.«
    Ambrose blickte verblüfft. »Schaut ihn Euch an.« Er lachte. »Der kleine Wicht ist betrunken oder so was.«
    »Ich wurde gerade ausgepeitscht!«, protestierte ich. Meine Stimme klang schrill.
    »Es reicht!«, brüllte Lorren, der wie ein Standbild des Zorns vor uns aufragte. Die Bibliothekare erbleichten.
    Lorren wandte sich von mir ab und wies mit einer verächtlichen Geste auf den Empfang. »Re’lar Ambrose erhält einen Tadel wegen Nichtbeachtung seiner Pflichten.«
    »Was?« Diesmal war Ambroses Empörung nicht gespielt.
    Lorren sah ihn finster an, und Ambrose machte den Mund wieder zu. Zu mir sagte Lorren: »E’lir Kvothe hat ab sofort in der Bibliothek Hausverbot.«
    Ich überlegte krampfhaft, was ich zu meiner Verteidigung vorbringen konnte. »Meister, ich wollte nicht –«
    Lorren fuhr mich an, und in seinem Gesicht, das sonst immer so ruhig und gelassen war, zeichnete sich eine solche Wut ab, dass ich unwillkürlich einen Schritt zurückwich. »Du wolltest nicht?«, sagte er. »Deine

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