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Der Name Des Windes

Der Name Des Windes

Titel: Der Name Des Windes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Rothfuss
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vollkommen dunkel. Und in diese Dunkelheit hinein erstreckten sich Regale um Regale voller Bücher. Mehr Bücher, als ich mir an einem ganzen Tag ansehen konnte. Mehr Bücher, als ich im ganzen Leben lesen konnte.
    Die Luft war kühl und trocken. Es roch nach altem Leder, nach Pergament und vergessenen Geheimnissen. Ich fragte mich, wie man in einem fensterlosen Gebäude die Luft so frisch hielt.
    Die Kerzenflamme mit einer Hand abschirmend, ging ich an den Regalen entlang, genoss den Augenblick, sog alles in mich auf. Schatten tanzten über die Decke, während ich die Kerze hin und her bewegte.
    Jetzt war die Wirkung der Nahlwurz vollkommen abgeklungen. Der Rücken tat mir fürchterlich weh, und meine Gedanken waren bleiern, so als hätte ich hohes Fieber oder einen Schlag auf den Hinterkopf bekommen. Mir war klar, dass ich zu längerer Lektüre nicht mehr in der Lage war, aber dennoch brachte ich es nicht über mich, so bald wieder zu gehen. Nicht nach all dem, was ich durchgemacht hatte, um hierher zu gelangen.
    Ich ging gut eine Viertelstunde lang ziellos umher und sah mir alles an. Ich entdeckte etliche kleine Räume mit schweren Holztüren davor. Sie dienten offenbar dazu, dass man sich dort treffen und miteinander sprechen konnte, ohne die Stille des Magazins zu stören.
    Und ich entdeckte Treppen, die aufwärts und abwärts führten. Die Bibliothek war sechs Etagen hoch, und ich hatte nicht gewusst, dass sie sich auch unterirdisch erstreckte. Wie tief ging es dort wohl hinab? Wie viele zehntausend Bücher lagerten unter meinen Füßen?
    Ich vermag kaum zu schildern, wie wohl ich mich dort in der kühlen, stillen Dunkelheit fühlte. Ich war glücklich inmitten der unzähligen Bücher. Der Ort vermittelte mir ein Gefühl der Sicherheit, denn ich wusste, dass es hier Antworten auf alle meine Fragen gab.
    Eher zufällig stieß ich auf die Tür mit den vier Kupferplatten.
    Sie bestand aus massivem Stein und war ebenso grau wie die Wände ringsumher. Der Türrahmen war eine Handspanne breit und ebenfalls grau und aus massivem Stein. Tür und Rahmen fügten sich so passgenau ineinander, dass keine Nadel dazwischen gepasst hätte.
    Die Tür hatte keine Angeln. Keine Klinke. Weder ein Fenster noch einen Schieber. Ihr einziges Merkmal waren vier Kupferplatten, die bündig in sie eingelassen waren, wie auch die Tür selbst bündig inden Rahmen und dieser bündig in die Wand eingelassen war. Wenn man mit der Hand darüber fuhr, spürte man kaum, wo das eine endete und das andere begann.
    Dennoch war diese graue Steintafel eindeutig eine Tür. Die Kupferplatten hatten jeweils ein Loch in der Mitte, und obwohl sie nicht wie konventionelle Schlüssellöcher geformt waren, waren es doch zweifellos Schlüssellöcher. Die Tür stand dort so unverrückbar wie ein Berg, so reglos wie die See an einem windstillen Tag. Diese Tür war nicht zum Öffnen da. Es war eine Tür, die geschlossen bleiben sollte.
    In ihrer Mitte, zwischen den blanken Kupferplatten, war ein Wort in den Stein gemeißelt: VALARITAS.
    Es gab an der Universität auch noch andere verschlossene Türen, hinter denen gefährliche Dinge oder vergessene Geheimnisse ruhten. Türen, die zu öffnen verboten war. Türen, deren Schwelle nie jemand überschritt, Türen, deren Schlüssel man vernichtet, fortgeworfen oder weggesperrt hatte.
    Doch sie alle reichten nicht an die Tür mit den vier Kupferplatten heran. Ich legte eine Handfläche auf die kühle, glatte Oberfläche und drückte, hoffte wider alle Vernunft, dass sie sich aufschieben ließ. Doch sie war so massiv wie ein Graustein. Ich versuchte durch die Löcher in den Kupferplatten zu spähen, konnte beim Licht meiner Kerze aber nichts dahinter erkennen.
    Ich wollte unbedingt hinein, es war ein brennendes Verlangen. Es zeigt wahrscheinlich einen verqueren Zug meines Charakters, dass ich mich, obwohl ich dort in der Bibliothek von unzähligen Geheimnissen umgeben war, ausschließlich für die einzige verschlossene Tür interessierte, die ich fand. Vielleicht ist es aber auch nur menschlich.
    Dann sah ich durch die Regale, wie sich das rötliche Licht einer Sympathielampe näherte. Es war das erste Anzeichen, dass sich außer mir noch jemand im Magazin aufhielt. Ich trat einen Schritt zurück und wartete, wollte den, der da kam, fragen, was sich hinter dieser Tür befand und was Valaritas bedeutete.
    Das Licht wurde heller, und ich sah zwei Bibliothekare um eine Ecke biegen. Sie blieben stehen, und dann lief einer

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